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Rechtswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl Vogt

Roland Lüthy

„Material adverse change“-Klauseln in Unternehmenskaufverträgen unter Schweizer Recht

Ein Diskussionsbeitrag zu Phänomenologie, Funktion, Wirkungsweise und Auslegung

Unternehmenskaufverträge haben – wie viele andere Verträge in der internationalen Wirtschaft – mit der Globalisierung eine starke Standardisierung erfahren. Die typischerweise verwendeten Unternehmenskaufverträge sind dabei stark von der angelsächsischen Vertragstradition geprägt. Auch Unternehmenskaufverträge unter Schweizer Recht sind meist weitgehend diesen aus dem common law-Rechtskreis stammenden Vertragsstandards nachgebildet. Oder zumindest werden gewisse Klauseln, Vertragsmechanismen oder Rechtsfiguren aus der anglo-amerikanischen Kautelarpraxis – teilweise bewusst, teilweise aber auch unreflektiert – übernommen. Oft ist auch die Vertragssprache Englisch. Die angelsächsische Vertragspraxis hat dabei Einzug gehalten, ohne dass es sich um eine eigentliche transnationale Rechtsvereinheitlichung in einem geordneten, gewillkürten Prozess handeln würde. Vielmehr wurden die angelsächsisch geprägten Verträge und Rechtsfiguren durch Investmentbanker, Berater und international tätige Anwälte in der Rechtspraxis verbreitet und als „legal transplants“ in die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen übernommen. Auch „material adverse change“-Klauseln oder „MAC“-Klauseln sind Teil dieser internationalen Vertragspraxis.

Im Wesentlichen sollen „MAC“-Klauseln einer Käuferpartei eines Unternehmenskaufvertrags, bei dem zwischen Vertragsunterzeichnung und -vollzug typischerweise eine Zeitspanne von mehreren Monaten liegt, erlauben, beim Eintritt von Ereignissen zwischen Vertragsunterzeichnung und -vollzug, welche sich nachteilig auf das Zielunternehmen auswirken, vom Vertrag Abstand zu nehmen und den Vertrag nicht vollziehen zu müssen.

Immer mehr finden „MAC“-Klauseln auch Verwendung in Unternehmenskaufverträgen unter Schweizer Recht. Während „MAC“-Klauseln in den USA vor allem im Nachgang zur Finanzkrise zu Berühmtheit gelangten und es dort zu einigen aufsehenerregenden Prozessen und Gerichtsentscheiden gekommen ist, welche in der juristischen und rechtsökonomischen Literatur kontrovers diskutiert wurden, blieb in der Schweiz bisher eine vertiefte dogmatische Diskussion dieses rechtstatsächlichen Phänomens aus.

Im Rahmen des Dissertationsprojekts sollen daher Herkunft, Phänomenologie, Funktion undWirkungsweise von „MAC“-Klauseln beleuchtet werden sowie ihre dogmatische Verortung – insbesondere ihr Verhältnis zu ähnlichen Rechtsfiguren oder Vertragsklauseln im schweizerischen Recht, namentlich der clausula rebus sic stantibus – und ihre Auslegung näher untersucht werden.