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Beschreibung |
Es würde doch sehr erstaunen, verliehe der Präsident der Vereinigten Staaten auf einmal jedem in Nordamerika ansässigen Ausländer freigiebig die US-Staatsbürgerschaft. So surreal dies auch erscheinen mag, so ist dies dennoch so im Römischen Reich im Jahr 212 n. Chr. geschehen. In jenem Jahr erliess Kaiser Marcus Aurelius Antoninus, besser bekannt als Caracalla, der Monate zuvor die Ermordung seines jüngeren Bruders und Mitkaisers Geta veranlasst hatte, ein Edikt, die sogenannte constitutio Antoniniana, die allen freien Menschen im Römischen Reich die volle römische Staatsbürgerschaft verlieh. Im tief romanisierten Westen, wo ein grosser Teil der Bevölkerung und vor allem die Eliten bereits seit langem das römische Bürgerrecht besassen, bedeutete dies wohl – die unteren sozialen Schichten davon ausgenommen – keine wesentliche Veränderung. Im Osten hingegen, wo die Zahl der römischen Bürger extrem gering war, muss sich die Entscheidung wie ein sprichwörtliches Erdbeben ausgewirkt haben. Die Bewohner der östlichen Reichshälfte, griechisch in Sprache und Kultur seit Alexander dem Grossen, wurden von einem Tag auf den anderen römische Bürger, mit einem neuen römischen Namen: Marcus Aurelius bei den Männern, Aurelia bei den Frauen, als wären sie alle als neugeborene römische Bürger zugleich Kinder des Kaisers. Die ägyptischen Papyri zeigen eine wahre Explosion von Aurelii in jenen Jahren: Es ist in den Urkunden dieser Zeit kaum mehr Jemand zu verzeichnen, der nicht den Namen des Kaisers trägt. Die Namensanpassung erwirkte jedoch zugleich einen neuen rechtlichen Status als Römer und zudem, so würde man erwarten, eine vollständige Unterwerfung unter das römische Recht. Bis dahin wurde das römische Recht von der lokalen Bevölkerung weitgehend ignoriert: Mit der Toleranz der römischen Verwaltung hatten diese griechisch sprechenden Nicht-Römer trotz der jahrhundertelangen römischen Herrschaft weiterhin nach den Regeln und Traditionen des griechischen – und je nach Herkunft und Kultur auch des ägyptischen, jüdischen, usw.– Rechts gelebt. Millionen von ihnen, nun zu Römern geworden, standen vor unbekanntem Terrain: Sollten sie nun ihre Rechtstraditionen völlig aufgeben und sich den fremden, schwerfälligen und oft unverständlichen Regeln des römischen Rechts anpassen? Was auch immer von ihnen erwartet wurde, wir können dank tausender Papyri aus den Jahrzehnten nach dem Jahr 212 erstaunlich genau rekonstruieren, was sie tatsächlich unternahmen und wie sie mit diesem Umstand umgegangen sind. Ziel dieses Seminars ist es, diese Belege zu überprüfen und so genau wie möglich zu rekonstruieren, wie sich die von dieser Massnahme betroffenen, einfachen Leute an ihren neuen römischen Status angepasst haben — oder eben nicht.
Themenliste: Thema 1: Eine römische Tradition: Kollektive Einbürgerung vor 212
Leistungsnachweis: Das Seminar steht sowohl Bachelor- als auch Masterstudierenden offen. Bachelorarbeiten werden mit 6 ECTS gewürdigt und müssen ca. 25 Seiten (etwa 62'500 Zeichen) umfassen. Masterarbeiten können seit der Studienreform nur noch im Umfang von 12 ECTS verfasst werden, was einer Arbeit von ca. 40 Seiten entspricht (etwa 100'000 Zeichen).
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Datum
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13. April 2022 (Vorbesprechung über Zoom)
25./26. November 2022
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Teilnahme und Info |
Zum Vorgang und für weitere Informationen beachten Sie bitte unbedingt die Angaben hier im: Merkblatt (PDF, 199 KB)
Die Anzahl der Plätze für das Seminar ist auf 12 limitiert. Die Teilnahme und die schriftliche Arbeit sind sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache möglich. Die Anmeldung läuft direkt über das Anmeldetool der RWF. Bei inhaltlichen Fragen können Sie uns gerne via E-Mail erreichen: lst.alonso@rwi.uzh.ch
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