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1. Die schweizerische Ausprägung der Gewaltenteilung These I: Exekutive und Legislative können im schweizerischen System der Gewaltenteilung sehr unabhängig von einander agieren, was dem Parlament grossen Spielraum für die Beteiligung an der Staatsleitung bietet. Demokratische Staaten zeichnen sich durch eine Gewaltenteilung zwischen den verschiedenen staatlichen Organen aus. Die Staatsleitung, hier verstanden als die Wahrnehmung wichtiger staatlicher Aufgaben, wird auf verschiedene Organe aufgeteilt. Dies bedeutet nicht, dass verschiedene Institutionen die staatlichen Aufgaben völlig unabhängig voneinander wahrnehmen, vielmehr wird in der Literatur häufig von einem «kooperativen Gewaltenteilungsverständnis» oder «Gewaltenverschränkung» gesprochen.2 Zwar sind Legislative, Exekutive und Judikative je für ihre Stammfunktionen zuständig, dabei arbeiten aber insbesondere Legislative und Exekutive in der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten eng zusammen. Diese Zusammenarbeit soll in diesem Papier anhand von wichtigen staatlichen Aufgaben aufgezeigt werden.
1 RUTH LÜTHI (1966), Dr. phil. hist., stellvertretende Sekretärin der Staatspolitischen Kommissionen der Eidg. Räte, arbeitet seit 1993 in den Parlamentsdiensten der Bundesversammlung, zuerst als wiss. Mitarbeiterin im Sekretariat der Staatspolitischen Kommissionen, dann als deren stellvertretende Sekretärin. Engagiert sich neben der 50%-Anstellung für den Parlamentarismus, z.B. in der Schweizerischen Gesellschaft für Parlamentsfragen und als Autorin zahlreicher Publikationen zur Bundesversammlung, so auch als Mitautorin des Kommentars zum Parlamentsgesetz.
2 Vgl. für eine ausführliche Darstellung der Diskussionen über die Gewaltenteilung z.B. Schmid, Stefan G: St. Galler Kommentar zu 5. Titel Bundesbehörden, Rz. 14ff.
3 Vgl. zum Thema Mehrheitsbildung in der Bundesversammlung z.B. auch die Nr. 2, 2024 des Mitteilungsblattes der Schweizerischen Gesellschaft für Parlamentsfragen zum Thema «Gelebte Konkordanz in Parlamenten».
4 Vgl. ausführlicher zur Einordnung des schweizerischen Systems im internationalen Kontext (mit zahlreichen weiteren Hinweisen): Lüthi, Ruth: Die Schweizerische Bundesversammlung: Ein Parlament in einer Konsensdemokratie, in: Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen (Hrsg.): Zeitschrift für Parlamentsfragen, Nr. 4 2023, S. 835ff.
5 Vgl. dazu Schmid, Stefan G: St. Galler Kommentar zu Art. 148 Rz. 12-15, Zürich/St. Gallen 2023.
6 Vgl. die eingehende Darstellung der einzelnen Gesetzgebungsprojekte in: Weil, Leopold: Die parlamentarische Initiative als Werkzeug einer selbstbewussten Kommission: Beispiele aus dem Bereich der Nachhaltigkeit, in: Parlament – Mitteilungsblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Parlamentsfragen – Nr. 1, 2023, S. 3ff.
Beispiele aus dem Bereich der Asylpolitik liefert Capaul, Raphael: Initiierung von Bundesgesetzen durch die Bundesversammlung: Einfluss auf die Qualität der Gesetzgebung, in: Parlament – Mitteilungsblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Parlamentsfragen – Nr. 1 2024, S.2ff.
7 Vatter, Adrian: Einleitung und Überblick: Macht und Ohnmacht des Parlamentes in der Schweiz, in: ders. (Hrsg.): Das Parlament in der Schweiz, Zürich 2018, S. 60.
8 Vgl. Lüthi, Ruth: Parlament, in: Handbuch der Schweizer Politik, 5. Auflage, Zürich 2014, S. 181f.
9 Vgl. Koller, Stefan: Kommentar zum Parlamentsgesetz, Art. 25 N 16.
10 Vgl. Graf, Martin: Kommentar zum Parlamentsgesetz, Art. 146 N 15 und 18.
11 Vgl. Muralt, Samuel/Tripet, Florent: Kommentar zum Parlamentsgesetz, Art. 152 N 28e.
12 So Graf, Martin: Kommentar zum Parlamentsgesetz, Art. 151 N 11.
13 Vgl. Graf, Martin, Fn. 10 N 27 sowie Graf, Martin: Konsultation parlamentarischer Kommissionen zu Verordnungsentwürfen. Ein Beispiel kooperativer Gewaltenteilung. In: LeGes 2021, H. 2, insbs. Rz. 25ff.