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Rechtswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl Glaser

Zusammenwirken von Bundesversammlung und Bundesrat bei der Wahrnehmung wichtiger staatlicher Aufgaben

ZSF Nr. 5/2024
 
Ein Beitrag von Dr. Ruth Lüthi1

 

1. Die schweizerische Ausprägung der Gewaltenteilung
These I: Exekutive und Legislative können im schweizerischen System der Gewaltenteilung sehr unabhängig von einander agieren, was dem Parlament grossen Spielraum für die Beteiligung an der Staatsleitung bietet.
Demokratische Staaten zeichnen sich durch eine Gewaltenteilung zwischen den verschiedenen staatlichen Organen aus. Die Staatsleitung, hier verstanden als die Wahrnehmung wichtiger staatlicher Aufgaben, wird auf verschiedene Organe aufgeteilt. Dies bedeutet nicht, dass verschiedene Institutionen die staatlichen Aufgaben völlig unabhängig voneinander wahrnehmen, vielmehr wird in der Literatur häufig von einem «kooperativen Gewaltenteilungsverständnis» oder «Gewaltenverschränkung» gesprochen.2 Zwar sind Legislative, Exekutive und Judikative je für ihre Stammfunktionen zuständig, dabei arbeiten aber insbesondere Legislative und Exekutive in der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten eng zusammen. Diese Zusammenarbeit soll in diesem Papier anhand von wichtigen staatlichen Aufgaben aufgezeigt werden.
Das schweizerische System der Gewaltenteilung ist in Anlehnung an das US-amerikanische System konzipiert. Sowohl die Mitglieder der Regierung als auch die Mitglieder des Parlamentes sind für eine feste Amtsdauer gewählt. Der Bundesrat hat keine Möglichkeit, die Bundesversammlung aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Auf der anderen Seite kann die Bundesversammlung dem Bundesrat nicht ihr Misstrauen aussprechen. Die Regierung bleibt im Amt, auch wenn sie mit ihren Projekten im Parlament Schiffbruch erleidet. Auch personell sind die beiden Gewalten völlig getrennt, indem Mitglieder der Regierung dem Parlament nicht angehören dürfen.
Diese Ausprägung der Gewaltenteilung gibt dem Parlament und seinen Mitgliedern grossen Handlungsspielraum. In der Bundesversammlung können verschiedene Allianzen Mehrheiten bilden.3 Die einzelnen Ratsmitglieder erhalten mehr Spielraum, auch mal unabhängig von ihrer Fraktion zu agieren, weil das Schicksal der Regierung nicht von der Parlamentsmehrheit abhängt. Dies im Gegensatz zu den parlamentarischen Demokratien, wie sie in Europa verbreitet sind. Hier kann eine Regierung nur durch eine sie unterstützende Parlamentsmehrheit gebildet werden und Bestand haben. Die Gewaltenteilung verläuft in solchen Systemen weniger klassisch zwischen Legislative und Exekutive, sondern vielmehr zwischen Regierungsmehrheit (gebildet aus Exekutive und Parlamentsmehrheit) und Opposition (Minderheit im Parlament).4
Die Idee der Gewaltenteilung kommt auch in Artikel 148 der Bundesverfassung zum Ausdruck, wonach die Bundesversammlung unter Vorbehalt von Volk und Ständen «die oberste Gewalt» im Bund ausübt. Diese Bestimmung impliziert nicht nur eine ausgeprägte Gewaltenteilung, sondern geht auch von einer Suprematie des Parlamentes aus. Diese Vorrangstellung der Bundesversammlung kommt in verschiedenen verfassungsrechtlichen Organkompetenzen zum Ausdruck.5 Sie ergibt sich auch daraus, dass der Regierung im schweizerischen System weniger Kompetenzen zukommen als im ebenfalls ausgeprägt gewaltenteiligen System der USA: So kann der Bundesrat kein Veto gegen Beschlüsse der Bundesversammlung erheben und er ist nicht vom Volk gewählt. Auch gegenüber der Judikative hat die Bundesversammlung eine starke Stellung. So kann das Bundesgericht Bundesgesetze nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit hin überprüfen und auch allenfalls verfassungswidrige Bundesgesetze sind im konkreten Fall anzuwenden.
 
2. Die Gesetzgebung als Kernaufgabe des Parlamentes
These II: Die Bundesversammlung ist trotz schwacher Ressourcen ein Arbeitsparlament und nimmt grossen Einfluss auf die Gesetzgebung. Die Gesetzgebung stellt das optimale Steuerungsinstrument des Parlamentes dar.
Die Gesetzgebung stellt sicher eine Kernfunktion der Bundesversammlung dar. Die Gesetzgebungskompetenz wird denn auch im Zuständigkeitskatalog in der Bundesverfassung als erste Befugnis der Bundeversammlung (Art. 164 BV) aufgeführt.
Der Gesetzgebungsprozess kann in verschiedene Phasen aufgeteilt werden. Bei der Initiierung der Gesetzgebung kommt dem Bundesrat eine bedeutende Rolle zu. Der Bundesrat kann der Bundesversammlung Entwürfe für Erlasse unterbreiten und macht von diesem Recht häufig Gebrauch. Nicht immer aber tut er dies aus eigener Initiative, sondern bisweilen auch in Umsetzung einer von National- und Ständerat angenommenen Motion.
Wird ein Gesetzgebungsprozess aufgrund des Initiativrechts des Bundesrates oder durch eine Motion aus dem Parlament angestossen, übernimmt die Exekutive auch die Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs. Da dieser Entwurf die Basis bildet für die parlamentarische Überprüfung, kommt damit dem Bundesrat eine wichtige Funktion im Gesetzgebungsprozess zu. Die Bundesversammlung hat jedoch ein Instrument, um die Ausarbeitung von Erlassentwürfen selber zu übernehmen. Mit einer parlamentarischen Initiative können ein Ratsmitglied, eine Fraktion oder eine parlamentarische Kommission die Ausarbeitung eines Erlassentwurfs verlangen. Stimmen die zuständigen Kommissionen beider Räte einer Initiative zu, dann hat die Kommission des Rates, in welchem die Initiative eingereicht worden ist, einen Erlassentwurf auszuarbeiten. Die Kommission kann zur Unterstützung Verwaltungsstellen beiziehen (Art. 112 ParlG). Die Verwaltung arbeitet in diesem Fall für die parlamentarische Kommission, diese hat die Federführung im Gesetzgebungsprozess. Der Bundesrat nimmt erst Stellung zum Projekt, wenn der Erlassentwurf der Kommission vorliegt. Die Bedeutung dieses Instruments ist nicht zu unterschätzen, so gehen etwa 20 Prozent der neuen Bundesgesetze bzw. der Gesetzesänderungen auf eine parlamentarische Initiative zurück. Dabei handelt es sich häufig auch um äusserst bedeutsame Gesetzesprojekte. So gehen z.B. wichtige Weichenstellungen in der Energiepolitik (Stichworte «Windexpress» und «Solarexpress») auf Entwürfe der Energiekommission zurück.6
In der parlamentarischen Überprüfungsphase der Gesetzesentwürfe kommt natürlich in erster Linie die Bundesversammlung am Zug. Die Bundesversammlung und ihre Mitglieder können mit dem Antragsrecht die Entwürfe beliebig abändern. Eine intensive Diskussion der Gesetzesentwürfe findet insbesondere in den zuständigen Sachbereichskommissionen statt. Dabei ist es durchaus möglich, dass sich im Parlament andere Mehrheiten finden als im Bundesrat und dessen Vorlagen völlig umgekrempelt werden. So hat die Bundesversammlung z.B. die bundesrätlichen Vorschläge zur Umsetzung von Art. 121a der Bundesversfassung («Masseneinwanderungsinitiative», (16.027), welche das Freizügigkeitsabkommen ritzten, durch den völkerrechtskonformen Vorrang inländischer Arbeitskräfte ersetzt. Aber auch das Gegenteil ist möglich, dass die parlamentarischen Kräfte dermassen auseinanderdriften, dass sich keine mehrheitsfähige Allianz gegen den Bundesrat bildet und sich dieser schliesslich mit seiner Vorlage durchsetzt. So wurden in einer neueren Reform des Asylgesetzes betreffend Sicherheit in Asylzentren (24.038) eine Unmenge Minderheitsanträge von rechts und links gestellt, die sich gegenseitig neutralisierten und die Vorlage somit fast unverändert den Nationalrat passierte.
Insgesamt ist der Einfluss der Bundesversammlung international vergleichend aber als sehr hoch zu beurteilen. Der Politologe Adrian Vatter spricht von einem aktiven Arbeitsparlament «dessen Gesetzgebungseinfluss sich auf der Höhe der ebenfalls recht aktiven skandinavischen Parlament bewegt und deutlich höher liegt als in traditionell parlamentarischen Systemen, gleichzeitig aber auch offensichtlich niedriger als im US-Kongress».7 Diese starke Stellung der Bundesversammlung ist sicher auch ihrer unabhängigen Stellung im Gewaltengefüge geschuldet: Der Bundesrat kann nie wissen, was mit seinen Entwürfen im Parlament passiert und kann das Parlament auch nicht daran hindern, selber Entwürfe zu machen. Im Parlament können sich immer andere Mehrheitsallianzen bilden als im Bundesrat. Gesetzgebung geschieht deshalb in Interaktion zwischen Bundesrat und Bundesversammlung, wobei formal der Lead der Bundesversammlung zukommt und sie diesen Lead häufig auch in der Praxis übernimmt.
 
3. Finanzkompetenz des Parlaments
These III: Die Finanzkompetenz des Parlamentes ist nicht nur durch Instrumente wie die Schuldenbremse eingeschränkt, sondern auch durch den grossen Anteil gebundener Ausgaben. Auch in dringlichen Fällen sind den parlamentarischen Finanzkompetenzen Grenzen gesetzt.
Gemäss Artikel 167 der Bundesverfassung beschliesst die Bundesversammlung die Ausgaben des Bundes, setzt den Voranschlag fest und nimmt die Staatsrechnung ab. Auch im Bereich der Ausgaben liegt also die Hauptzuständigkeit bei der Bundesversammlung. Auf Bundesebene handelt es sich zudem um eine abschliessende Kompetenz, weil ein Finanzreferendum fehlt. Dem Bundesrat kommt aber auch hier – noch mehr als in der Gesetzgebung – eine wichtige Funktion zu, indem er den Entwurf für den Voranschlag macht (Art. 183 BV). Es ist kaum denkbar, dass eine parlamentarische Kommission selber einen Entwurf für ein Budget erstellen würde.
Auch im Bereich der Ausgaben spielt das parlamentarische Antragsrecht eine grosse Rolle. Jeder einzelne Budgetposten kann durch das Parlament erhöht, gekürzt oder gestrichen werden. Dieses Antragsrecht wird rege genutzt; die Budgetdebatten jeweils in der Wintersession der Eidgenössischen Räte sind intensiv.8 Allerdings handelt es sich meistens um eher kleine Ausgaben für politisch umstrittene Aufgaben, weil die grossen Ausgabenposten zumeist gesetzlich gebunden sind.9
Somit wird die Budgetkompetenz des Parlamentes durch dieses selber eingeschränkt, indem aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen wenig Handlungsspielraum im Budgetprozess besteht. So besteht denn auch eine gewisse Konkurrenz zwischen den für die Gesetzgebung in bestimmten Bereichen zuständigen Sachbereichskommissionen und den Finanzkommissionen. Letztere versuchen mit Mitberichten zuhanden der Sachbereichskommissionen deren Ausgabefreudigkeit – eher weniger erfolgreich - zu bremsen.
Daneben sind auch verfassungsmässige Einschränkungen der Budgetkompetenz zu nennen, wie die Schulden- und die Ausgabenbremse.
Auch in dringlichen Fällen erfährt die Ausgabenkompetenz des Parlamentes Einschränkungen. Gemäss Artikel 28 und 34 des Finanzhaushaltsgesetzes kann der Bundesrat – allerdings nur mit Zustimmung der Finanzdelegation beider Räte – in dringenden Fällen Ausgaben tätigen oder finanzielle Verpflichtungen eingehen und die Bundesversammlung genehmigt nachträglich. Was diese nachträgliche Genehmigung bedeutet, gab beim Geschäft betreffend Übernahme der CS durch die UBS (23.007) zu Diskussionen Anlass. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates versucht im Moment in Umsetzung ihrer Initiative (24.400) entsprechende Klärungen im Finanzhaushaltsgesetz anzubringen. Allerdings stösst die parlamentarische Ausgabenkompetenz in dringenden Situationen an ihre Grenzen.

4. Planung staatlicher Tätigkeit
These IV: In einem System mit wechselnden Allianzen hat politische Planung eine geringere Bedeutung als in Systemen, in denen sich Regierungsmehrheit und parlamentarische Opposition gegenüberstehen.
Bei der Planung staatlicher Tätigkeiten haben wir es nun mit einer Aufgabe zu tun, die primär in die Kompetenz des Bundesrates fällt. Gemäss Artikel 180 der Bundesverfassung «plant und koordiniert» der Bundesrat die staatlichen Tätigkeiten. Die Planungskompetenz des Parlamentes fungiert in Artikel 173 der Bundesverfassung als Buchstabe g. unter «Weitere Aufgaben und Befugnisse». Danach wirkt die Bundesversammlung bei wichtigen Planungen der Staatstätigkeit mit.
Als wichtige Planung ist sicher die Legislaturplanung zu verstehen. Das Parlamentsgesetz sieht hierfür in Artikel 146 ein qualifiziertes Mitwirkungsverfahren der Bundesversammlung vor. Danach hat der Bundesrat der Bundesversammlung zu Beginn der Legislaturperiode eine Botschaft über die Legislaturplanung und den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss dazu vorzulegen, in welchem die politischen Leitlinien und die Ziele enthalten sind. Diese Form erlaubt es der Bundesversammlung, über die einzelnen Ziele Beschluss zu fassen. Für die Vorberatung wird alle vier Jahre eine Legislaturplanungskommission als Spezialkommission der Bundesversammlung eingesetzt. Aus der Planung der Regierung wird dadurch eine Planung des Parlamentes.
Dieses Verfahren zur Beratung der Legislaturplanung ist recht aufwändig und wird immer wieder in Frage gestellt. So wird gefordert, dass die Bundesversammlung nur von der Planung des Bundesrates Kenntnis nehmen soll. Ob dies dann noch als «Mitwirkung» im Sinne von Art. 173 Abs. 1 Bst. g der Bundesverfassung bezeichnet werden könnte, ist eine andere Frage.10
Ein weitere wichtige im Parlamentsgesetz speziell geregelte Planung ist der Finanzplan (Art. 143 ParlG). Daneben kann der Bundesrat der Bundesversammlung weitere Planung zur Information oder zur Kenntnisnahme (Art. 28 Abs. 1bis und Art 148 ParlG) vorlegen. Die Bundesversammlung kann zu einzelnen Fragen auch Grundsatz- und Planungsbeschlüsse fassen (Art. 28 Abs. 2-4 ParlG). Dies erlaubt ihr z.B., dem Bundesrat gewisse Ziele, Grundsätze oder Kriterien bei Geschäften in seinem Zuständigkeitsbereich vorzugeben. So hat der Bundesrat aufgrund von Motionen der Bundesversammlung einen Grundsatz- und Planungsbeschluss zum UNO-Migrationspakt vorgelegt (21.018). Die Unterzeichnung dieses Pakts liegt in der Zuständigkeit des Bundesrates, die Bundesversammlung forderte aber mit den Motionen ein Mitspracherecht. Allerdings war dann die Lust zur Auseinandersetzung mit diesem Pakt, als der Entwurf für den Grundsatz- und Planungsbeschluss vorlag, doch nicht so gross. Dies mag einerseits daran gelegen haben, dass die Luft etwas raus war, andererseits wurde es doch als nicht so befriedigend empfunden, sich zwar äussern zu können, aber doch nicht zuständig zu sein. 
Die Ausübung von Mitwirkungsrechten ist nicht immer ganz befriedigend, aber sie fördern den Austausch zwischen den Gewalten und dienen auch der Transparenz. Die Unlust im Umgang mit der Legislaturplanung wird zwar mit dem Verfahren begründet, doch liegt die Ursache wohl tiefer: Angesichts des grossen Aufwandes für die parlamentarische Beratung dieser Planung ist ihre politische Bedeutung schliesslich gering. Planungen sind in parlamentarischen Demokratien, welche vom Zusammenspiel zwischen Regierungsmehrheit und Opposition geprägt sind, von grosser Bedeutung. Die Regierung muss ein Regierungsprogramm vorlegen, welches von allen Koalitionspartnern getragen werden muss. Im schweizerischen System mit den wechselnden Allianzen macht ein solches Programm weniger Sinn. Die Mehrheiten werden im Hinblick auf einzelne Gesetzgebungen gebildet. Diese Gesetzgebungen sind häufig Produkt von aktuellen Umständen und entspringen seltener der Legislaturplanung – und wenn doch, wissen die Parlamentsmitglieder kaum mehr, was sie dort beschlossen haben und sie sind auch nicht verpflichtet, sich daran zu halten. So wird die Planung durch das Gesetz, welches im schweizerischen System das zentrale Instrument staatliche und insbesondere parlamentarischer Steuerung darstellt übersteuert.
 
5. Mitwirkung des Parlaments in der Aussenpolitik
These V: Mitwirkung der Bundesversammlung im Bereich der Aussenpolitik ist aufgrund des steigenden Einflusses der Aussenpolitik auf die innerstaatliche Rechtsetzung eine Notwendigkeit.  Diese Mitwirkung findet in erster Linie als Dialog zwischen dem Bundesrat und den Aussenpolitischen Kommissionen statt.
Ähnlich gelagert wie die Planungskompetenzen sind die Zuständigkeiten im Bereich der Aussenpolitik. Auch hier ist der Bundesrat primär zuständig. Gemäss Artikel 184 der Bundesverfassung «besorgt» er die auswärtigen Angelegenheiten unter Wahrung der Mitwirkungsrechte der Bundesversammlung. Das Recht auf parlamentarische Mitwirkung ist also bereits in der bundesrätlichen Kompetenznorm festgehalten. Über die reine Mitwirkung hinaus geht die Kompetenz der Bundesversammlung im Bereich der internationalen Verträge, welche sie zu genehmigen hat, ausser das Gesetz überlässt die Genehmigung dem Bundesrat. In Artikel 166 BV ist die parallele Kompetenz des Parlamentes enthalten, wonach sich die Bundesversammlung an der «Gestaltung der Aussenpolitik beteiligt.»
Diese Beteiligung an der Gestaltung der Aussenpolitik erfolgt – mit Ausnahme der Genehmigung der Staatsverträge – nicht in den Ratsplena, sondern durch die zuständigen Kommissionen, primär die Aussenpolitischen Kommissionen. Im Parlamentsgesetz (Art. 152) sind Mitwirkungsrechte der parlamentarischen Kommissionen im Bereich der Aussenpolitik vorgesehen. Im Wesentlichen geht es dabei um Konsultationsrechte: So hat der Bundesrat z.B. die für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen bei wichtigen aussenpolitischen Vorhaben und sowie vor der Unterzeichnung völkerrechtlicher Verträge zu konsultieren.
Die Mitwirkung des Parlamentes in der Aussenpolitik geschieht also in einem intensiven Dialog zwischen Bundesrat und den zuständigen Kommissionen, d.h. insbesondere den Aussenpolitischen Kommissionen. Als etwas unbefriedigend für die Kommissionen wird die bisweilen mangelnde Transparenz über den Umgang des Bundesrates mit den Konsultationsantworten der parlamentarischen Kommissionen beklagt.11

6. Mitwirkung des Parlaments bei der Verordnungsgebung durch den Bundesrat
These VI: Das Recht der parlamentarischen Kommissionen, zu Verordnungsentwürfen konsultiert zu werden, ist Ausdruck der kooperativen Gewaltenteilung im Bereich der Rechtsetzung: Der Bundesrat spielt eine grosse Rolle bei der Erarbeitung der Gesetzesentwürfe, die parlamentarischen Kommissionen werfen ein Auge auf die Umsetzung der Gesetzgebung.
Nicht nur das Parlament setzt Recht, sondern auch die Regierung. Soweit der Bundesrat durch Verfassung und Gesetz dazu ermächtigt ist, erlässt er rechtsetzende Bestimmungen in der Form der Verordnung (Art. 182 BV). Anders als bei der Planung und bei der Aussenpolitik sieht hier die Verfassung kein parlamentarisches Mitwirkungsrecht vor. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Gesetzgebung um die zentrale Funktion des Parlamentes handelt, scheint es aber naheliegend, dass die Bundesversammlung bzw. ihre Kommissionen auch ein Auge auf die delegierte Rechtsetzung haben.12
Im Parlamentsgesetz ist deshalb vorgesehen, dass die zuständigen Kommissionen verlangen können, zu Verordnungsentwürfen des Bundesrates konsultiert zu werden (Art. 151 ParlG). Es handelt sich somit um ein Holrecht der Parlamentskommissionen. In der COVID-Krise hat das bundesrätliche Verordnungsrecht grosse Bedeutung erlangt. Deshalb ist neu im Parlamentsgesetz eine Bringschuld des Bundesrates für «Notverordnungen» stipuliert; der Bundesrat muss die zuständigen Kommissionen vorgängig konsultieren, bevor er Verordnungen zur Bewältigung von Krisensituationen erlässt. Der Erlass von Verordnungen bleibt aber in jedem Fall in der Zuständigkeit des Bundesrates, die Kommissionen können aber Empfehlungen zur Änderung einer Verordnung abgeben.
In der Praxis scheinen die Kommissionen rege von ihrem Konsultationsrecht Gebrauch zu machen, wobei nicht immer Empfehlungen an den Bundesrat zur Änderung der Verordnung abgegeben werden. Trotzdem hat dieses Konsultationsrecht seine Bedeutung, ermöglicht es doch auch hier einen Dialog zwischen Exekutive und Legislative. Die Parlamentskommissionen werden darüber informiert, wie die von ihnen erlassenen Gesetze umgesetzt werden, wodurch auch ein Lerneffekt entsteht.13 Problematisch wird das Konsultationsrecht dann, wenn der parlamentarische Gesetzgebungsprozess noch einmal wiederholt wird, indem versucht wird, Anliegen, die beim Gesetzgebungsprozess keine Mehrheit fanden, nochmals als Empfehlung zum Verordnungsentwurf einzubringen. 

7. Abschliessende These
These VII: Die Schweizerische Bundesverfassung weist Bundesversammlung und Bundesrat klare Zuständigkeiten zu, sieht aber auch Mitwirkungsrechte der jeweils anderen Gewalt im Hauptzuständigkeitsbereich der einen Gewalt vor. Dadurch entsteht ein System der kooperativen Gewaltenteilung, in welchem der Bundesversammlung jedoch aufgrund ihrer unabhängigen Stellung viel Gestaltungsspielraum zukommt. Diesen Gestaltungsspielraum kann sie nutzen, wenn die politischen Parteien im parlamentarischen Prozess aktiv nach Mehrheiten für konstruktive Lösungen suchen und nicht auf ihren vorgefassten Standpunkten beharren.
 
 
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1 RUTH LÜTHI (1966), Dr. phil. hist., stellvertretende Sekretärin der Staatspolitischen Kommissionen der Eidg. Räte, arbeitet seit 1993 in den Parlamentsdiensten der Bundesversammlung, zuerst als wiss. Mitarbeiterin im Sekretariat der Staatspolitischen Kommissionen, dann als deren stellvertretende Sekretärin. Engagiert sich neben der 50%-Anstellung für den Parlamentarismus, z.B. in der Schweizerischen Gesellschaft für Parlamentsfragen und als Autorin zahlreicher Publikationen zur Bundesversammlung, so auch als Mitautorin des Kommentars zum Parlamentsgesetz.

2 Vgl. für eine ausführliche Darstellung der Diskussionen über die Gewaltenteilung z.B. Schmid, Stefan G: St. Galler Kommentar zu 5. Titel Bundesbehörden, Rz. 14ff.

3 Vgl. zum Thema Mehrheitsbildung in der Bundesversammlung z.B. auch die Nr. 2, 2024 des Mitteilungsblattes der Schweizerischen Gesellschaft für Parlamentsfragen zum Thema «Gelebte Konkordanz in Parlamenten».

4 Vgl. ausführlicher zur Einordnung des schweizerischen Systems im internationalen Kontext (mit zahlreichen weiteren Hinweisen): Lüthi, Ruth: Die Schweizerische Bundesversammlung: Ein Parlament in einer Konsensdemokratie, in: Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen (Hrsg.): Zeitschrift für Parlamentsfragen, Nr. 4 2023, S. 835ff.

5 Vgl. dazu Schmid, Stefan G: St. Galler Kommentar zu Art. 148 Rz. 12-15, Zürich/St. Gallen 2023.

 6 Vgl. die eingehende Darstellung der einzelnen Gesetzgebungsprojekte in: Weil, Leopold: Die parlamentarische Initiative als Werkzeug einer selbstbewussten Kommission: Beispiele aus dem Bereich der Nachhaltigkeit, in: Parlament – Mitteilungsblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Parlamentsfragen – Nr. 1, 2023, S. 3ff.
Beispiele aus dem Bereich der Asylpolitik liefert Capaul, Raphael: Initiierung von Bundesgesetzen durch die Bundesversammlung: Einfluss auf die Qualität der Gesetzgebung, in: Parlament – Mitteilungsblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Parlamentsfragen – Nr. 1 2024, S.2ff.

7 Vatter, Adrian: Einleitung und Überblick: Macht und Ohnmacht des Parlamentes in der Schweiz, in: ders. (Hrsg.): Das Parlament in der Schweiz, Zürich 2018, S. 60.

8 Vgl. Lüthi, Ruth: Parlament, in: Handbuch der Schweizer Politik, 5. Auflage, Zürich 2014, S. 181f.

9 Vgl. Koller, Stefan: Kommentar zum Parlamentsgesetz, Art. 25 N 16.

10 Vgl. Graf, Martin: Kommentar zum Parlamentsgesetz, Art. 146 N 15 und 18.

11 Vgl. Muralt, Samuel/Tripet, Florent: Kommentar zum Parlamentsgesetz, Art. 152 N 28e.

12 So Graf, Martin: Kommentar zum Parlamentsgesetz, Art. 151 N 11.

13 Vgl. Graf, Martin, Fn. 10 N 27 sowie Graf, Martin: Konsultation parlamentarischer Kommissionen zu Verordnungsentwürfen. Ein Beispiel kooperativer Gewaltenteilung. In: LeGes 2021, H. 2, insbs. Rz. 25ff.

 
 

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