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Rechtswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl Glaser

Ausgewählte Thesen zur Gemeindeführung

ZFS Nr. 4/2024
 
 
Ein Beitrag von RA lic. iur. Thomas Kollegger1
 
 
1. Vorbemerkungen
 

Der Blick auf die föderalistisch organisierte Schweiz zeigt einen Bund, 26 Kantone und aktuell2 2131 Gemeinden. Bereits aufgrund des Mengengerüsts ist es zu begrüssen, dass das Zürcher FORUM zur Staatsleitung (ZFS) auch einen Blick auf die kommunale Ebene wirft. Neben den Aufgaben, die ihnen vom Bund und von ihrem Kanton zum Vollzug zugewiesen sind, verfügen die Gemeinden über eigene Zuständigkeiten, z.B. im Bereich der Raumentwicklung, der Volksschule, des Verkehrswesens, der wirtschaftlichen und kulturellen Förderung, der Sozialhilfe etc. Nicht erst im Zuge der Bewältigung der jüngsten Krisen (Covid 19-Pandemie, Strommangellage, Ukrainekrieg) sind sich die übergeordneten Staatsebenen der Bedeutung handlungsfähiger Gemeinden bewusst geworden. Art. 50 Abs. 2 Bundesverfassung (BV; SR 101) verpflichtet den Bund, bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden zu beachten. Auch einzelne Kantonsverfassungen3 halten die Kantone dazu an, die kommunale Staatsebene bei ihren Entscheidungen vor Augen zu haben bzw. sich in Nachachtung des Subsidiaritätsprinzips (vgl. Art. 5a BV) in Zurückhaltung bei der Übernahme von Aufgaben zu üben, die mindestens gleich gut von den Gemeinden erfüllt werden können.4 Zahlreiche kantonale Erlasse sehen als Aspekt der Gemeindeautonomie zudem vor, dass den Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben ein möglichst weiter Handlungsspielraum eingeräumt wird.5 Damit die Gemeinden ihren Handlungsspielraum nutzen können, haben sie über eine gewisse Stärke und Grösse zu verfügen, um ihre Aufgaben gut, rechtmässig und möglichst selbständig erfüllen zu können.6 Schwache Gemeinden befördern Zentralisierungstendenzen. Auch wenn Mitglieder der Behörden von Bund und Kantonen in erster Linie der entsprechenden Staatsebene gegenüber verpflichtet sind, ist das Wissen um die kommunale Ebene für die Vollzugstauglichkeit, die Funktionsfähigkeit des Staates und damit letztlich auch für den Zusammenhalt in der Gesellschaft/der Nation wenn nicht gar nötig, so doch zumindest hilfreich. Erfahrungen aus der kommunalen Behördenarbeit bereichern die übergeordneten Staatsebenen. Personen, die eine kommunale Führungsposition bekleiden oder bekleidet haben, profitieren von ihren Erfahrungen, wenn sie in Behörden anderer Staatsebenen tätig sind. In kommunalem Zusammenhang wird weniger von "Staatsleitung" gesprochen, häufiger – und möglicherweise einschränkender – wird der Begriff der "Gemeindeführung" verwendet. Einige Aspekte werden nachstehend behandelt. In einem breiteren Kontext wäre es angezeigt, Themenbereiche zu beleuchten, die ebenfalls einen direkten Konnex zur kommunalen "Staatsleitung" haben, wie beispielsweise: Politische Parteien / Zusammensetzung der Führungsorgane auf kommunaler Ebene, politische Repräsentanz der Bevölkerung, Arbeitsweise der Exekutiven, Gesetzgebungsprozess auf kommunaler Ebene / Organkompetenzen, politische Rechte / Volksrechte (Einwirkung der Legislative7 auf die Gemeindeführung), Kontrollorgane und deren Wirkung auf die Gemeindeführung, Rolle von Interessensverbänden und Medien.
 
2. These I: Milizsystem – ein weiterhin prägender und limitierender Faktor
 
Während sich z.B. in Bezug auf das nationale Parlament die Frage stellt, ob man noch von einem Milizsystem sprechen kann8, ist es auf kommunaler Ebene weiterhin das bestimmende Element9. Dies bedeutet aber auch, dass den unterschiedlichen personellen Verfügbarkeiten und Fähigkeiten Rechnung getragen werden muss. Was sich in der Theorie als einzig richtig erweist, kann sich in einer besonderen lokalen Situation als geradezu falsch erweisen. In diesem Sinne sind kommunale Gemeindeführungsmodelle einem steten Wandel ausgesetzt. Zu den wesentlichen Elementen der kantonal umschriebenen Gemeindeautonomie gehört das Recht der Gemeinden, sich ihren Bedürfnissen entsprechend zu organisieren. Die Gemeindeorganisation, die Einsetzung von Behörden und Verwaltung sowie die finanziellen Angelegenheiten gehören traditionellerweise zu diesem Kernbereich der Gemeindeautonomie.10 Die kommunale Organisation wird i.d.R. durch das kantonale Recht nur in den Grundzügen festgelegt. Den Gemeinden verbleibt ein grosser Spielraum, den sie nach ihren Bedürfnissen, ihren Zweckmässigkeitsvorstellungen ausfüllen dürfen. Was zweckmässig ist, kann im Zeitablauf und aufgrund veränderter personeller oder finanzieller Ressourcen oder Rahmenbedingungen unterschiedlich beantwortet werden. Im Gegensatz zum Bund und den Kantonen erweisen sich die Organisations- und Führungsmodelle der Gemeinden als dynamischer und anpassungsfähiger.11
 
3. These II: Das Gemeindepräsidium – ein herausragender, kollegialer "primus inter pares"
 
In der staatspolitischen Debatte auf Bundesebene12 und auch in verschiedenen Kantonen wurde und wird immer wieder darauf verwiesen, dass sich ein gestärktes Präsidium nicht mit dem Kollegialitätsprinzip vertrage.13 Bereits die Aussicht, dass sich durch eine Verlängerung der Amtsdauer des Präsidiums die Chancen verringern würden, das Gremium selber präsidieren zu können, wurde und wird in der politischen Debatte auf Bundes- und Kantonsebene als im Spannungsfeld zum Kollegialitätsprinzip gesehen.14 Die Gemeinden bekunden hierin viel weniger Mühe: Viele für die kommunale Ebene massgeblichen Organisationserlasse sprechen dem Gemeindepräsidium eine besondere Stellung zu.15 Die AmtsträgerInnen werden meist auch explizit in diese Funktion gewählt und sind unmittelbar wiederwählbar, solange nicht eine allfällige Amtszeitbeschränkung zum Tragen kommt. In einzelnen Kantonen sind die Gemeindepräsidien vollamtlich angestellt, während Ihre VorstandskollegInnen ein Neben- oder Ehrenamt ausüben. Trotzdem nehmen die Gemeinden für sich in Anspruch bzw. werden gesetzlich explizit dazu verpflichtet, dass die Exekutivbehörde als Kollegium auftritt und dem Kollegialitätsprinzip nachlebt. Das Kollegialitätsprinzip selber gehört zu den Eigenheiten des schweizerischen Regierungssystems, findet sich auf allen drei Staatsebenen und ist allgemein anerkannt.16 Der Gemeindevorstand wie auch die anderen Gemeindebehörden sind Kollegialorgane. Verschiedene Ansichten und Meinungsdifferenzen dürfen und sollen im Kollegium ausgetragen werden. Die Themen sollen kontrovers diskutiert und danach soll abgestimmt werden. Ist ein Entscheid gefällt, soll er (auch) von den "unterlegenen" Behördenmitgliedern nach aussen "mit einer Stimme" und "kollegial" mitgetragen werden. Dazu gehört der Verzicht auf abweichende Stellungnahmen und Interventionen beispielsweise bei der Vorstellung und Antragsstellung eines Geschäfts während der Gemeindeversammlung. Die Minderheitsmeinung oder die Mehrheitsverhältnisse in der Behörde werden nicht kundgetan. Es stellt sich immer wieder die Frage, ob sich ein Behördenmitglied an der öffentlichen Meinungsbildung als Privatperson beteiligen und somit von seinen politischen Rechten im Vorfeld einer Abstimmung Gebrauch machen darf. Das Bundesgericht beurteilt es in steter Rechtsprechung als zulässig, dass sich Behördenmitglieder persönlich engagieren dürfen.17 Dies wird solange als zulässig erachtet, als klar ist, dass sie ihre private Meinung und nicht die Behördenmeinung zum Ausdruck bringen. Das Bundesgericht hielt fest, dass nichts ein Behördenmitglied hindert, an einem "Abstimmungsfeldzug" teilzunehmen und von dem ihm als Bürger zustehenden Recht auf freie Meinungsäusserung Gebrauch zu machen, soweit dies nicht mit verwerflichen Mitteln – z.B. unter Verwendung öffentlicher Gelder, irreführender Angaben, vertraulicher Informationen usw. – erfolgt. Das Behördenmitglied hat aber gegenüber den Stimmberechtigten klarzustellen, dass es seine persönliche Meinung vertritt.18 In der Rechtslehre wird diese langjährige bundesgerichtliche Praxis vor allem bei Äusserungen von Mitgliedern der Exekutive zu eigenen Vorlagen mehrheitlich kritisiert.19 Diese sei hinsichtlich der politischen Willensbildung problematisch, da eine private Stellungnahme in der allgemeinen Wahrnehmung kaum von einer amtlichen Äusserung zu trennen sei. In der Tat ist dieser Spagat nur schwerlich möglich.20
 
4. These III: Auch für die kommunale Ebene gilt: Gouverner – c'est prévoir!
 
Die Gemeindeexekutive nimmt im Auftrag ihrer Wählerschaft bzw. der kommunalen Einwohnerschaft die eigentliche politische Führung der Gemeinde wahr. Die Stimmbürgerschaft bzw. Einwohnerschaft kann im Rahmen von Leitbildprozessen, Zukunftswerkstätten, Informationsveranstaltungen o.ä. auf die angestrebte Entwicklung der Gemeinde hinwirken. Es liegt jedoch im Wesentlichen an der Exekutive, den Rahmen und die Ziele für die Entwicklung der Gemeinde zu konkretisieren und festzulegen. Dies geschieht beispielsweise mittels einer Gemeindestrategie und/oder einem Legislaturprogramm. Die mittelfristige Finanzplanung hilft der Exekutive, ihre (finanzpolitischen) Ziele zu erreichen bzw. die Auswirkungen der Aufgaben auf die Finanzen sichtbar zu machen.21 Der Finanzplan wiederum wird der Legislative (Gemeindeversammlung oder dem Parlament) zur Kenntnis gebracht.22 Er ist rechtlich nicht verbindlich. Im Rahmen des Budgets bzw. v.a. aufgrund der Verpflichtungskreditkompetenz kommt der Legislative eine zentrale Rolle zu, grünes Licht zur angestrebten Entwicklung zu geben und das (monetäre) Bekenntnis zum konkret einzuschlagenden Weg abzugeben. Je besser die Finanzplanung die Entwicklung abbildet, umso politisch einfacher ist es, den Worten (Leitbild / Strategie / Legislaturprogramm) Taten folgen zu lassen. Oder einzusehen, dass nicht alles Wünschbare auch realisierbar / finanzierbar ist.
 
5. These IV: Die kommunale Verwaltung als Staatsleit-Zentrale
 
Im Rahmen ihrer strategischen Tätigkeiten ist die Exekutive also wesentlich für die vorwärts- und zukunftsgerichteten Aktivitäten der Gemeinde verantwortlich. Ihr kommen auch zahlreiche (Vollzugs-)aufgaben zu. Um sich von operativen Tätigkeiten zu entlasten, können Vollzugsbefugnisse weitgehend delegiert werden, wobei der Delegation Grenzen inhaltlicher23 und formeller24 Natur gesetzt sind. Gemeindeführung bedeutet zudem zu einem guten Teil auch Verwaltungsführung.25 Gerade auch wegen des weiterhin prägenden Milizsystems ist die politische Führung auf eine professionelle Verwaltung angewiesen, die i.d.R. eine grössere personelle Konstanz aufweist. Langjährige Verwaltungsmitarbeitende mit teilweise beeindruckender Public Management-Expertise sind Behördenmitgliedern untergeordnet, die nicht selten nur eine beschränkte politische Halbwertszeit aufweisen. Die Führungstätigkeit ist eine Herausforderung, nicht nur dann, wenn unterschiedliche Ansichten über die strategische Ausrichtung bestehen. Die Verwaltung ist Schaltstelle und Drehscheibe für die kommunale Politik. Unterstrichen wird die besondere Rolle in den sogenannten Geschäftsleitungsmodellen. Diese haben zumindest in Graubünden in den letzten Jahren eine grössere Verbreitung erfahren. Das sogenannte CEO-Modell, wo der Chef/die Chefin der Verwaltung, d.h. eine angestellte, nicht von der Stimmbürgerschaft gewählte Person die wesentliche operative Entscheidungskompetenz erhält, ist in Graubünden bislang (noch) nicht anzutreffen. Auch wenn dieses an die Privatwirtschaft angelehnte Modell dazu führen kann, dass die Effizienz und die Effektivität erhöht werden, so ist der Umstand zu berücksichtigen, dass die Fokussierung der "Macht" auf eine Person in der Verwaltung politische Risiken nach sich ziehen kann. Das langjährige Knowhow und damit auch die impliziten Steuerungsmöglichkeiten in die strategische Ebene können zur ungewollten Umkehr der Führung führen.26 Eine strikte Trennung von strategischen und operativen Geschäftsfeldern/Aufgaben ist bereits in der Privatwirtschaft nicht möglich, im Gemeinwesen ist es noch viel schwieriger. Eine vermeintlich operative Angelegenheit kann schnell zu einer politisch bedeutsamen und strategischen Angelegenheit werden. Im Weiteren stellt sich bei umfassender Übertragung von Aufgaben politisch gewählter Behördenmitglieder auf Verwaltungseinheiten die Frage, wie weit dies die Attraktivität des Amts begünstigt oder mindert.
 
6. These V: Credo: Starke Gemeinden = starker Kanton
 
In der Organisationslehre hat sich der Grundsatz etabliert, wonach Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung möglichst deckungsgleich vorliegen sollen. Im föderalistischen Kontext kommt der Aspekt der fiskalischen Äquivalenz hinzu ("Wer zahlt, befiehlt"). Letztlich ist es Ausdruck der Gemeindeautonomie, dass übertragene Aufgaben, für die man verantwortlich und kompetent ist, auch autonom erfüllen kann. Deshalb gehört die Frage nach einer optimalen Gemeindestruktur zu einem ständigen strategischen Bemühen! Übrigens nicht nur für die kommunale Ebene, wenn man an die interkantonalen "Koordinationsgefässe" und interkantonalen Vereinbarungen denkt. 
 
 

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1 Lic. iur. Thomas Kollegger, RA (1969), aus Alvaneu (Albula/Alvra) leitet seit 2008 das Amt für Gemeinden (AFG) des Kantons Graubünden. Das AFG ist mit der institutionellen Aufsicht, der Finanzaufsicht sowie dem innerkanto-nalen Finanzausgleich betraut und setzt sich mit der Reform der territorialen Strukturen auseinander. Als selb-ständiger Rechtsanwalt beriet Thomas Kollegger vor seiner Tätigkeit beim Kanton Graubünden verschiedene Gemeinden und war u.a. Gemeindepräsident von Alvaneu sowie Mitglied verschiedener kommunaler und regio-naler Organisationen. Seit 2023 beschäftigt er sich als Präsident der katholischen Kirchgemeinde Albula/Alvra nebenamtlich mit der Führung bzw. Reformen von bzw. in (landes)kirchlichen Strukturen. 
2 Gemeindebestand per 1.1.2024.
3 z.B. Art. 85 Abs. 2 KV Zürich (ZH Lex 101).
4 z.B. Art. 27 Abs. 3 KV Appenzell Ausserhoden (bGS 111.1); § 5 Abs. 2 KV Schwyz (SRSZ 100.100).
5 z.B. § 106 Abs. 2 KV Aargau (SAR 110.000); Art. 101 Abs. 2 KV Appenzell Ausserhoden (bGS 111.1); Art. 85 Abs. 1 KV Zürich (ZH Lex 101); Art. 3 Abs. 1 GG Graubünden (BR 175.050).
6 Im Rahmen der Bündner Gemeindereform setzt sich der Kanton Graubünden für eine Stärkung der Gemeinden ein. Verfügte der Kanton vor 25 Jahren über 212 politische Gemeinden, sind es ab 2025 noch deren 100.
7 In den Kantonen Genf und Neuchâtel verfügen sämtliche Gemeinden über Parlamente, in Basel-Stadt zwei von drei Gemeinden. In den übrigen Kantonen besteht die Legislative (gross)mehrheitlich aus der Gemeindeversammlung, die allenfalls durch eine Urnenabstimmung ergänzt oder ersetzt wird. Vgl. Michael Strebel, Das Schweizerische Parlamentslexikon, Basel, 2023.
8 Adrian Vatter, Schweizer Gemeinde 12/2023, spricht von "Halbberufsparlament".
9 Reto Steiner et al., Zustand und Entwicklung der Schweizer Gemeinden, Ergebnisse des nationalen Gemeindemonitorings 2017, Glarus/Chur, 2021, S. 47 ff.; Andreas Ladner, Die Schweizer Gemeinde im Wandel, IDHEAP, Lausanne, 2008, S. 17 ff. scheint die Quelle für die Feststellungen auch in jüngerer Zeit zu sein, wonach über 80% der Gemeindevorstände ehrenamtlich tätig sind. Vgl. Schweizerischer Gemeindeverband - Milizsystem - Schweizerischer Gemeindeverband (chgemeinden.ch), letztmals abgerufen am 5. Juni 2024.
10 Ursin Fetz, Bündner Gemeinderecht, Zürich Basel Genf, 2020, § 4 Ziff. III.
11 Vgl. Botschaft des Bundesrats zur Staatsleitungsreform vom 19. Dezember 2001, BBl 2000 2095 ff.
12 Vgl. z.B. die Diskussionen im Zusammenhang mit der zurückgewiesenen Botschaft des Bundesrates vom 19. Dezember 2002 zur Staatsleitungsreform (siehe Fn. 11) und der Zusatzbotschaft vom 13. Oktober 2010 zur Regierungsreform (BBl 2010 7811 ff.): 01.080 | Staatsleitungsreform | Geschäft | Das Schweizer Parlament, letztmals abgerufen am 25. September 2024.
13 In zahlreichen Kantonen alterniert der Vorsitz in der Regierung jährlich, so z.B. im Kanton Aargau (§ 92 Abs. 2 KV Aargau; SAR 110.000), im Kanton Graubünden (Art. 40 KV Graubünden; BR 110.100), dem Kanton Genf (Art. 105 Abs. 2 KV Genf; rs/GE A 2 00). Der Kanton Basel-Stadt hingegen verfügt über ein vom Stimmvolk aus den Mitgliedern des Regierungsrates gewähltes Regierungspräsidium, das den Vorsitz der Kollegialbehörde Regierungsrat für eine ganze Amtsperiode führt (§ 44 Abs. 1 i.V. m. § 102 Abs. 1 und § 103 Abs. 1 KV Basel-Stadt; SG 111.100). Im Kanton Appenzell Innerrhoden führt der von der Landsgemeinde gewählte regierende Landammann während 2 Jahren das Präsidium der sogenannten Standeskommission (Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art 32 Abs. 1 KV Appenzell Innerrhoden; GS 101.100).
14 Niemand würde aber so weit gehen, einen Vorsitz-Wechsel alle vier Monate vorzusehen, wie dies die KV Graubünden von 1854 für die Mitglieder des Kleinen Rates vorsah, die im Übrigen nur über eine einjährige Amtsdauer verfügten und nur einmal wiedergewählt werden durften.
15 Vgl. z.B. Art. 36 Abs. 1 und 39 Abs. 2 GG Graubünden; Art. 22 Abs. 1 GG St. Gallen; § 20 Abs. 1, § 24 Abs. 1, § 41 Abs. 1 GG Zürich; § 24 Abs. 1, § 45 GG Aargau; § 86 GG Basel-Landschaft.
16 Für die Bündner Kantonsregierung ist das Kollegialprinzip in Art. 38 Abs. 2 KV Graubünden verankert. Explizite Erwähnung findet das Prinzip z.B. in Art. 90 Abs. 1 lit. a GG St. Gallen. Im Kanton Graubünden ist es kantonalrechtlich in Bezug auf die kommunale Ebene nicht geregelt, hat aber in verschiedene Bündner Gemeindeverfassungen Eingang gefunden.
17 BGE 130 I 290 E. 3.3 S. 295 f.; BGer, Urteile 1C_412/2007 vom 18. Juli 2008 E. 6.5; 1C_379/2011 vom 2. Dezember 2011 E. 4.2.
18 BGE 119 Ia 271 E. 3d; ZBl 83/1982, S. 206; BGE 112 Ia 335; 98 Ia 615, 624.
19 Lorenz Langer, Die Zulässigkeit individueller Stellungnahmen von Regierungsmittgliedern, ZBl 5/2021, S. 252-256. Christoph Auer, Interventionen bei Wahlen und Abstimmungen: Auswege und neue Lösungsansätze, ZBl 5/2021, S. 245 f.
20 Vgl. zum Ganzen: Amt für Gemeinden Graubünden, Handbuch zur Durchführung von Gemeindeversammlungen 2024.pdf (gr.ch), Ziff. 5.8.1., Chur 2024.
21 Vgl. Amt für Gemeinden Graubünden, Leitfaden_Finanzplanung_2019_d.pdf (gr.ch), Chur 2019.
22 Vgl. Konferenz der Kantonalen Finanzdirektoren, Handbuch HRM2, Art. 10 Abs. 2 Musterfinanzhaushaltsgesetz, Art. 3 Abs. 3 Finanzhaushaltsverordnung für die [Bündner] Gemeinden (FHVG; BR 710.200).
23 So darf die Übertragung von Befugnissen nicht dazu führen, dass die Funktion des Gemeindevorstands seines Sinnes entleert wird.
24 Die Übertragung muss sich auf eine genügende Rechtsgrundlage abstützen; vgl. z.B. Art. 40 Abs. 1 GG Graubünden oder § 45 und § 51 Abs. 3 GG Zürich.
25 Vgl. Art. 35 Abs. 2 GG Graubünden: [Der Vorstand] führt und beaufsichtigt die Gemeindeverwaltung.
26 Jüngst wurde ein in diese Richtung zielendes Führungsmodell in der Gemeinde Vaz/Obervaz von den Stimmberechtigten deutlich abgelehnt (Urnenabstimmung vom 9. Juni 2024). Die der Gemeindeverwaltung vorstehende, ausschliesslich aus angestellten Personen zusammensetzende Geschäftsführung hätte sich neben dem Geschäftsführer als deren Vorsitzenden aus 4 bis 6 weiteren Leitungspersonen aus der Gemeindeverwaltung zusammengesetzt.
 

 

 
 

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