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Hintergrund
Das Heilmittelgesetz wird bereits zum dritten Mal revidiert, wobei mit der aktuellen Revision dem wissenschaftlichen Fortschritt, der Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Entwicklung der Rechtssetzung in der EU insbesondere bezüglich Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, nachfolgend: ATMP) Rechnung getragen werden soll. Des Weiteren sind Neuerungen betreffend der Medikationssicherheit von Patienten, der elektronischen Verschreibung via E-Rezept und der Arzneimittelsicherheit in der Pädiatrie vorgesehen. Auch die Regelungen zu Tierarzneimitteln wollen der Bundesrat und das Parlament an die Regulierung der EU anpassen, um Importe und Exporte zu erleichtern, gegen Antibiotikaresistenzen vorzugehen und neue Behandlungsmethoden und Therapien in der Veterinärmedizin zu ermöglichen.
ATMP und seltene Krankheiten
ATMP basieren auf Genen, Geweben oder Zellen, wobei meist einer Person Zellen entnommen werden, diese ex vivo verändert und wiederum beim gleichen Menschen eingesetzt werden. Sehr häufig werden solche Therapien für die Behandlung seltener Krankheiten eingesetzt, wodurch sie patientenspezifisch sind und nur wenige Personen für vorgängige Studien zur Verfügung stehen. Zudem weist die Entwicklung solcher Therapien oft einen experimentellen Charakter auf und sie werden in der Regel von kleinen bis mittleren Unternehmen und nicht von große Pharmaunternehmen durchgeführt. Alle diese Punkte unterscheidet die ATMP von herkömmlichen Arzneimitteln, weshalb gesonderte Regelungen nötig sind. In der Schweiz unterstehen ATMP bisher keinen einheitlichen gesetzlichen Regeln.
Neu sollen für ATMP spezifische Regeln zu den Anforderungen an die Zulassung, sowie zur Herstellung und zum Vertrieb festgelegt werden. Auch die Überwachung soll speziell geregelt werden. Ferner ist eine Legaldefinition vorgesehen, mittels derer klargestellt werden soll, welche Arzneimittel als ATMP zu qualifizieren sind und welche nicht.
Bisher bilden ATMP in der Schweiz keine eigene Arzneimittelkategorie, was dazu führt, dass Arzneimittel, die in der EU als ATMP qualifiziert werden, in der Schweiz unterschiedlichen Arzneimittelgruppen zugehören. Dies wiederum kann zu Interpretationsproblemen führen, da je nach Zuordnung jeweils unterschiedliche Regelungen zur Anwendung kommen. Das Heilmittelgesetz (HMG) soll deshalb angepasst werden, um einen reibungslosen Austausch, Forschung und Wettbewerb innerhalb Europas zu garantieren.
Ebenfalls sollen Transplantationsprodukte, welche bisher aufgrund des Art. 49 des Transplantationsgesetzes nur teilweise dem Heilmittelgesetz unterstellt waren, neu vollumfänglich unter dessen Geltungsbereich fallen.
Digitalisierung bei Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Heilmitteln
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist seit langem ein wichtiges Anliegen der Politik, was sich insbesondere auch aus der am 6. Dezember vom Bundesrat verabschiedeten gesundheitspolitischen Strategie des Bundesrates 2020-2030 ergibt. Zur Erreichung dieses Ziels soll die elektronische Erstellung von Medikationsverschreibungen, also E-Rezepten, für obligatorisch erklärt und ein persönliches Recht auf einen elektronischen Medikationsplan begründet werden. Diese beiden Neuerungen fördern eine nahtlose und sichere Behandlung von Patienten insbesondere bei Polymedikation, einen reibungslosen Austausch zwischen Gesundheitsfachpersonal und die Vereinheitlichung des nationalen Verkehrs von Medikationsinformationen.
Personen, die künftig E-Rezepte ausstellen oder entgegennehmen, werden in die Pflicht genommen, die Authentizität des Rezepts in jedem Fall sicherzustellen und den Einsatz von gefälschten Rezepten oder mehrfachen Rezepteinsatz zu verhindern. Welche Anforderungen die dazu verwendeten Systeme erfüllen müssen, wird der Bundesrat mittels Verordnung festhalten. Auch in Bezug auf die Systeme, die für die Erstellung und den Austausch der elektronischen Medikationspläne verwendet werden sollen, wird der Bundesrat auf Verordnungsstufe Anforderungen bestimmen.
Überdies soll den Schwierigkeiten in Bezug auf Einsatz von Arzneimitteln in der Pädiatrie Rechnung getragen werden. Viele Arzneimittel sind nämlich nicht für den Einsatz an Kindern ausgelegt, weshalb es öfter zum „Off-Label use“ kommt. Dabei kommt es allerdings häufiger als gewollt zu Dosierungsfehlern, weshalb künftig im Sinne der Medikationssicherheit ein E-Health-gestütztes, klinisches Entscheidungsunterstützungstool im stationären Bereich obligatorisch zum Einsatz kommen soll.
Neuerungen im Bereich Tierarzneimittel
Die Neuerungen im Bereich des Tierarzneimittelrechts haben in erster Linie das Ziel, die aktuelle Gesetzgebung an die 2019 in der EU in Kraft getretene anzupassen. Es soll insbesondere Schwierigkeiten beim Handel entgegengewirkt und der Einsatz neuartiger Therapien weiterhin ermöglicht werden.
Zur Sicherung des Imports und des Exports von Tierarzneimitteln wurden bereits 2022 Neuerungen in Bezug auf die Zulassung, die Bewilligung und die Marktüberwachung getroffen. 2023 wurde der Einsatz von gewissen Antibiotika in der Veterinärmedizin zugunsten der Humanmedizin beschränkt oder sogar verboten. Im Zuge der Revision des HMG sollen zusätzliche gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, um das Tierarzneimittelrecht demjenigen der EU weiter anzupassen. Vorgesehen ist im Übrigen eine Legaldefinition für „antimikrobielle Wirkstoffe“, welche unter anderem Antibiotika umfassen. Der Einsatz eben dieser Wirkstoffe soll zudem noch stärker reguliert werden, indem mittels autonomem Nachvollzug gewisse antimikrobielle Wirkstoffe verboten werden.
Fazit
Die geplanten Änderungen entsprechen den Anforderungen der Zeit und sorgen für mehr Rechtssicherheit, aber auch für mehr Sicherheit auf Patientenseite. Die Verfolgung dieser Anliegen überzeugt.
Nuria Chamizo Lopez
Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung der Verfasserin wieder.