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Prof. Dr. Ulrike Babusiaux
Das Seminar zum römischen Recht steht im Zusammenhang mit einer dreitägigen internationalen Tagung an der Universität Zürich und soll Studierenden Zugang zur Forschung zum römischen Testamentsrecht geben.
Von römischen Testamenten sind vor allem (einige wenige) Holztäfelchen auf uns gekommen; etwas zahlreicher sind Papyri mit Testamenten oder Testamentsabschriften. Beide Gruppen von Überlieferungsträgern belegen, wie getreu bzw. mit welchen Abweichungen und Varianten die testamentarische Praxis die in Gaius’ Institutionen und den Digesten überlieferten normativen Vorgaben des Testamentsrechts abbildete und anwandte. Rechtshistorisch weniger untersucht sind Testamentsauszüge und Bezugnahmen auf Testamente in Inschriften.
Die epigraphischen Belege sind damit nicht nur eine willkommene Ergänzung der in Papyri und auf Holztäfelchen erhaltenen Testaments(abschriften); vielmehr werfen sie ein Licht auf ein unterschätztes Phänomen: Die Publizität und die öffentlichen Wirkungen des römischen Testaments (bzw. ausgewählter Teile davon), auch für die nicht unmittelbar im Testament adressierten Erben oder Begünstigten.
Zunächst ist die Frage zu behandeln, warum es überhaupt Abschriften auf Stein gab und welche anderen Rechtsakte auf Stein abgeschrieben wurden. Damit stellt sich gleichzeitig die Frage nach dem Verhältnis von Inschrift und «Original». Die zweite Frage betrifft die unterschiedlichen Überlieferungsträger: Welche Inhalte, Gestaltungen und Funktionen des römischen Testamentsrechts werden in anderen Überlieferungsträgern (Papyri, Schreibtäfelchen) sichtbar? Wie stehen die auf Stein überlieferten Testamentsabschriften römischer Testamente zur griechischsprachigen Überlieferung von Testamenten? Welche Kontinuitätslinien sind bis in das (lateinische) Mittelalter zu beobachten? Die dritte Frage befasst sich mit der Aufbewahrung (Archive) und Zugänglichkeit von Testamenten. Dabei ist vor allem zu untersuchen: Wo wurde das Testament gelagert? Wo konnte man Auskunft über seinen Wortlaut erhalten? Wer war hierzu zugelassen? Welche Verfahren existierten und wie wurden diese angewendet? Schließlich ist hier die Frage der Überlieferung des römischen Rechts und seiner Tradierung insbesondere im griechischsprachigen Osten anzusprechen, denn diese Tradition ist das Schlüsselloch, durch das wir heute das römische Recht betrachten und verstehen. Das Testamentszitat auf Stein wirft schließlich die Frage nach den sozialen und politischen Funktionen des Testaments auf, also nach den weitergehenden Motiven hinter der juristischen Anordnung und der (über die juristischen Wirksamkeitsanforderungen hinausgehenden) «Publikation». Allgemein stellt sich also die Frage, warum überhaupt Testamente und in welchem Kontext sie zitiert wurden, sowie welche Wirkungen mit dem Zitat verbunden sein konnten. Spezifischer ist zu untersuchen, ob es besondere Erscheinungen für Testamente von Frauen gibt, die in der Überlieferung sehr häufig vorkommen, und wie genau Testamente in der kaiserlichen Gerichtspraxis zitiert und ausgelegt wurden.
Es wird erwartet, dass Seminarteilnehmer sowohl die vorbereitenden Seminarsitzungen als auch die Tagung besuchen. Die vorbereitenden Seminarsitzungen finden am Montag, 26. Februar, und am Montag, 4. März, jeweils von 16 bis 18 Uhr statt. Die Zeiten der Tagung sind wie folgt: Dienstag, 12. März, 17 bis 20 Uhr, Mittwoch, 13. März, 9 bis 17 Uhr, und Donnerstag, 14. März, 9 bis 17 Uhr.
Die Quellentexte und Übersetzungen werden den Teilnehmern Mitte Januar 2024 übersandt; gleichzeitig findet eine Besprechung der Exegesetechnik und der bei Erstellung der Seminararbeit anzuwendenden Methode statt. Die Vorbereitung der Seminararbeit wird durch das Lehrstuhlteam unterstützt; eine vorläufige Fassung der Arbeit ist bis Sonntag, 10. März, einzureichen. Sie dient als Grundlage für die Teilnahme an der Tagung; die definitive Arbeit ist erst im Anschluss an die Tagung und damit auf Grundlage des dort zu erwartenden Erkenntnisgewinns zu verfassen.
Am Montag, 8. April, findet von 16 bis 18 Uhr eine fakultative Fragestunde zu den Seminararbeiten statt. Die definitiven Arbeiten sind bis 30. April 2023 einzureichen.
Es besteht für Teilnehmende die Möglichkeit, in Absprache mit Prof. Babusiaux einen Tagungsbericht in einer anerkannten Zeitschrift zum römischen Recht zu publizieren.
Das Seminar ist für Bachelor- und Masterstudierende geöffnet; der Schwierigkeitsgrad des jeweiligen Themas kann an die individuellen Kenntnisse angepasst werden.
Kenntnisse des Griechischen und Lateinischen sind nicht erforderlich, aber nützlich; Kenntnisse der modernen Fremdsprachen, jedenfalls Englisch und Französisch, sind zu empfehlen.
1 | Abschriften von Urkunden und Briefen auf römischen Inschriften allgemein |
2 | Das sogenannte Testament des Dasumius |
3 | Grabsatzungen auf Inschriften in Kleinasien und ihr Verhältnis zu Testamenten |
4 | Schenkungen unter Auflage auf Stein |
5 | Testamente und Abschriften auf Papyri |
6 | Zur Tradition des römischen Testaments in den Basiliken. Verständnis und Wandel. |
7 | Das Archivwesen für Testamente in Ägypten. |
8 | Römische Testamentseröffnung in Theorie und Praxis. |
9 | Zur Formel ex testamento: Was wird damit gerechtfertigt? Von wem und für wen? Auf welchen Inschriften erscheint die Formel? Zeitliche Entwicklung? |
10 | Testamente von Frauen in der dokumentarischen Überlieferung (Ziele, Grenzen, Besonderheiten) |
11 | Anwendung und Auslegung von Testamenten in der kaiserlichen Gerichtsbarkeit |
12 | Funktionen inschriftlicher Fideikommisse |