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Grabinschriften und Grabdenkmäler bilden den grössten Teil der aus der römischen Kaiserzeit überlieferten Inschriften. Soweit sie vom Erben errichtet worden sind, der sich sittlich oder rechtlich verpflichtet erklärt, dem Verstorbenen zu gedenken, geben sie auch Aufschluss über das römische Erbrecht, vor allem den Inhalt von Testamenten.
Vom 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2024 wird am Lehrstuhl Babusiaux ein vom Schweizerischen Nationalfonds finanziertes Forschungsprojekt zu römischen Testamentsklauseln auf Grabinschriften im Imperium Romanum durchgeführt.
Projektpartner:innen sind Prof. Dr. Anne Kolb, Dr. Lorena Atzeri und Prof. Dr. Wolfgang Kaiser.
Weitere Informationen zu Veranstaltungen (Workshops und Tagungen) sowie Forschungsergebnissen folgen hier.
Das Projekt will die zahlreichen lateinischen Grabinschriften und Grabdenkmäler, die aus der Kaiserzeit in Rom, Italien und den Provinzen überliefert sind, zur Erforschung des römischen Testamentsrechts und seiner historischen Entwicklung nutzen. Hintergrund ist die Beobachtung, dass Grabinschriften und Grabdenkmäler oftmals auf letztwillige Anordnungen des Erblassers Bezug nehmen. Zum Beispiel kann der Erblasser seinem Erben unter Androhung der Enterbung auferlegen, ein Grabmal zu errichten; ferner kann er ihm eine bestimmte Summe Geld für ein Grab hinterlassen. Der rechtliche Gehalt dieser Inschriften ist bisher nur unvollständig und vor allem für besonders grosszügige Gaben an Städte oder Vereine aus Perspektive eines angeblichen «Stiftungsrechts» gewürdigt worden. Dabei wird allerdings meist verkannt, dass das römische Recht kein eigentliches Stiftungsrecht kannte, sondern dass die letztwilligen Gaben von Wohltätern an Städte oder Gemeinden nach römischem Testamentsrecht zu beurteilen sind. Zudem sind – was bisher vernachlässigt wurde – auch die bescheideneren Grabinschriften rechthistorisch zu untersuchen, denn auch in ihnen bekundet der Erbe, dem Willen des Verstorbenen entsprechend gehandelt zu haben. Durch die geographische Streuung der Inschriften kann schliesslich auch ermittelt werden, inwieweit die Formen des römischen Grabmals wie des römischen Testaments im Gesamtreich beachtet wurden, also auch in den römischen Provinzen zur Anwendung kamen.
Das Vorhaben verbindet die Erkenntnisse der in der Rechtswissenschaft angesiedelten Forschung zum römischen Recht mit den Möglichkeiten der althistorischen Inschriftenkunde (Epigraphik). Es baut dabei vor allem auf den Recherchemöglichkeiten der Epigraphischen Datenbank Clauss Slaby EDCS, die in Zürich angesiedelt ist. Damit leistet es einen Beitrag zur Überwindung einer Trennung zwischen zwei verbundenen Disziplinen der Altertumswissenschaft.