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Rechtswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl Atamer

FS 24 / Schweizerisches und Europäisches Vertrags- und Konsumrecht

I. Allgemeine Informationen zum Seminar

Leitung: Prof. Dr. Yeşim Atamer und O.R. a.D. Prof. em. Dr. Alexander Brunner 

Thema: Schweizerisches und Europäisches Vertrags- und Konsumrecht

Ort: Blockseminar in Lausanne mit Besuch des Bundesgerichts

Datum: Donnerstag-Samstag, 18.-20. April 2024

Teilnehmende: Studierende der Universität Zürich: BLaw 12 Plätze; MLaw 8 Plätze

Kosten: Genaue Informationen zu den Kosten entnehmen Sie bitte dem Ablaufplan. Kosten der Unterkunft, Anreise und teilweise Verpflegung gehen zu Lasten der Teilnehmer.

II. Wichtige Hinweise

Anmeldung

  • Die Anmeldung zu den Seminaren, die im Frühjahrssemester 2024 stattfinden, erfolgt mittels des fakultätseigenen Anmeldetools.
  • Die Anmelde- bzw. Anfragefrist ist vom 5. Oktober 2023, 10:00 Uhr - 17. Oktober 2023, 24:00 Uhr.
  • Die Anmeldung für ein Seminar, in dessen Rahmen die Masterarbeit geschrieben wird, ist nur für Studierende möglich, die zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits im Masterstudiengang eingeschrieben sind.
  • Sie sind erst für dieses Seminar angemeldet, nachdem Ihnen dies bestätigt wurde.
  • Bitte beachten Sie weitere Informationen der UZH zu den Seminaren.

 

Vorbesprechung und Vorstellung des Seminars und der Themen

Nach Anmeldungsbestätigung (spätestens am 23. Oktober 2023) wird am  24. Oktober 2023, 13.30-15.00 Uhr, Hörsaal KO2 G 275 eine Vorbesprechung des Seminars stattfinden.

 

Themenverteilung

Sie müssen Ihr Thema selbständig wählen (vgl. Themenliste (PDF, 35 KB)) und den Lehrstuhl Atamer diesbezüglich anschreiben (lst.atamer@ius.uzh.ch).

Frist zur Meldung der Themen: 1. November 2023.

Es gilt das Prinzip „first come, first served“, deshalb unbedingt 1-2 Ersatzthemen angeben (lst.atamer@ius.uzh.ch).

Vorgeschlagene Themen sind blosse Arbeitshypothesen; eine Eingrenzung bzw. Auswahl einzelner Fragestellungen ist erforderlich.

Gruppenarbeit möglich, jedoch max. 2 Personen pro Gruppe.

Bekanntgabe der Themen durch den Lehrstuhl: 6. November 2023, nach Ablauf der Stornierungsfrist.

 

Dispositionen

Einreichen der Dispositionen: Bis zum 6. Dezember 2023, per Mail an den Lehrstuhl Atamer 

Besprechung der Dispositionen: Im Dezember, Bekanntgabe durch die jeweiligen Dozierenden.

 

Abgabefrist für die BA bzw. Masterarbeiten

Montag, 8. April 2024, 08:00 Uhr – E-Mail-Eingang Arbeiten als WORD & PDF, kein Papier!

Montag, 15. April 2024, 08:00 Uhr – E-Mail-Eingang ppt-Präsentation und A4-Handout WORD

Referate: Vor der gemeinsamen Diskussion werden einführende Referate gehalten. Dauer des Vortrags ca. 15-20 Minuten (vorzugsweise powerpoint oder andere vergleichbare Präsentation), anschliessend Themen-Diskussion von ca. 10-15 Minuten.

 

Leistungsnachweis und Bewertung

Es gelten die Richtlinien des Lehrstuhls Atamer.

75% schriftliche Arbeit (bei MLaw mit Master-Vereinbarung)

25% mündlicher Vortrag und Seminar-Beteiligung

Hinweis zum Vortrag und möglichem Handout 

  • Mündliche Präsentation: Diese dient der Darstellung der wichtigsten Erkenntnisse aus Ihrer eingereichten Arbeit. Die Präsentation sollte max. 15-20 Minuten dauern. Es ist wichtig, dass diese Zeitvorgabe nicht überschritten wird.
  • Handout: Sie können ein fakultatives Handout einreichen. Die Gestaltung ist Ihnen überlassen.

 

Ablauf

Den genauen Ablauf können Sie dem Ablaufplan (PDF, 7 MB) entnehmen. 

III. Themenbeschreibung

Das Konsumentenrecht hat in den letzten dreissig Jahren wie kaum ein anderes Rechtsgebiet an Bedeutung gewonnen. Mit dem Einsetzen der Globalisierung und der Zunahme der Kaufkraft der Mittelklassen erlangte die Massenproduktion und der damit verbundene Massenkonsum Ausmasse, die man sich so nie vorstellen konnte. Gezielt eingesetzte Vertriebsmethoden unterstützten anhaltenden Absatz. Steigende Komplexität der Produkte führte zu einem starken Informationsgefälle zwischen den Vertragsparteien. Hinzu kamen die neuzeitlichen Forschungsergebnisse im Bereich der Verhaltensökonomik, die zeigten, dass der Homo Oeconomicus als die zentrale Annahme der klassischen Ökonomie so nicht existierte und durch ein Menschenbild zu ersetzen war, dessen Handeln und Denken von Unzulänglichkeiten und Vorurteilen geleitet wurde. Das gezielte Ausnutzen dieser Schwächen bildete die Grundlage der Konsumgesellschaft.

Die im 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts erlassenen Gesetze hingegen gründeten noch auf der Konzeption, dass der Mensch rational handelt und hauptsächlich seinen Eigennutz maximiert. Er macht keine Fehler in der Informationsaufnahme und -verarbeitung. Deswegen wurde er auch mit einer Vertragsfreiheit ausgestattet, welcher nur wenige Grenzen gesetzt waren. Vertragsfreiheit wurde als Hauptgarant der Vertragsgerechtigkeit gesehen und somit die Verantwortung für den Inhalt des Vertrages dem Einzelnen aufgebürdet. Die Realität war ernüchternd: für grosse Bevölkerungsschichten war die Vertragsgerechtigkeit wegen den unterschiedlichen Verhandlungspositionen der Parteien eine Illusion. Einseitig abgefasste Verträge waren die Regel.

Gesetzgeber überall auf der Welt mussten Wege finden, diesen Missständen entgegenzuwirken. Die Prämisse, dass auf dem Wettbewerbsmarkt Dank der Vertragsfreiheit eine effiziente Allokation knapper Ressourcen ermöglicht wird, solange rationale, voll-informierte und auch ebenbürtige Parteien sich gegenüberstehen, war als Ausgangspunkt immer noch richtig. Doch fehlte auf der Seite der Nachfrage unter bestimmten Bedingungen die „Information“, die „Rationalität“ und auch die „Verhandlungsmacht“. Aufgabe der Gesetzgeber war es somit, diese Situationen festzustellen und dem Marktversagen gezielt entgegenzuwirken.

Bis heute ist und bleibt die Europäische Union die Vorreiterin und wichtigste Akteurin im Bereich der Konsumentenschutzgesetzgebung. Angespornt durch das Ziel, einen funktionierenden Binnenmarkt für die EU zu schaffen, hat sie angefangen, ab Mitte der 80er Jahre ein situationsbezogenes Konsumentenschutzmodell aufzubauen. Eine Gruppe der Schutzmechanismen zielten darauf ab, den Konsumenten durch Informationsvermittlung zu stärken. Durch detaillierte Auskunftspflichten, noch vor Vertragsschluss, bezüglich der Produkte bzw. Dienstleistungen sowie dem konkreten Vertragsinhalt, sollte gewährleistet werden, dass der Konsument bewusstere Entscheidung trifft. Die Kontrolle von Werbeinhalten wirkte einer Irreführung entgegen. Mit dem Einführen einer 14-tägigen Widerrufsfrist wurde Absatzmechanismen entgegengewirkt, die einen unbedachten Vertragsabschluss besonders begünstigten, wie z.B. Haustür- oder Fernabsatzgeschäfte. In anderen Gebieten wurde hingegen direkt in die Vertragsfreiheit eingegriffen und der Vertragsinhalt zwingend vorgegeben. Ein prominentes Beispiel dafür sind die Regelungen zur Kontrolle von missbräuchlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen noch im Jahre 1993. Die Richtlinien zum Pauschalreise-, Konsumentenkauf- oder zum Konsumkreditvertrag sind weiter Beispiele für eine direkte Regulierung des Vertragsinhaltes. Eine dritte Gruppe von Regeln diente der prozessrechtlichen Durchsetzung von Konsumentenansprüchen. Alternative Streitbeilegungsmethoden stehen hier besonders im Vordergrund. Neuerdings aber auch die Einführung von Verbandsklagen zum Schutz von Kollektivinteressen der Konsumenten.

Doch sind die Gesetzgeber inzwischen vor wieder neue Herausforderungen gestellt. Die zunehmende Digitalisierung von Vertragsinhalten erfordert ein Überdenken des ganzen Arsenals der Massnahmen zum Konsumentenschutz. Rege diskutiert werden die Handhabung der sharing economy sowie der Plattformbetreiber im effektiven Konsumentenschutz. Noch fundamentaleren Problemen widmen sich die Konzepte zur circular economy, die einen nachhaltigen Konsum auch durch gezielte Gesetzgebung erreichen wollen. Somit scheint das 21. Jahrhundert noch spannende Entwicklungen im Bereich des Konsumentenschutzes zu versprechen.

Der schweizerische Gesetzgeber ist bis heute in manchen Gebieten den Vorgaben des EU-Gesetzgebers freiwillig gefolgt und hat die relevanten Richtlinien im nationalen Recht umgesetzt. Doch erfolgte dies nur sporadisch und der Wille, diese Praxis weiterzuführen, scheint in neuerer Zeit stark abgeschwächt zu sein. Ziel dieses Seminars ist, unter anderem, die unterschiedliche Rechtslage in der Schweiz und der EU zu analysieren und diese Entscheidung des schweizerischen Gesetzgebers zu hinterfragen. An konkreten Verträgen sowie Vertragsabschlusssituationen soll das Schutzinstrumentarium im Privatrecht aufgezeigt und ein allfälliger Gesetzgebungsbedarf festgestellt werden.

Das Seminar soll auch dazu dienen, verschiedene Fragen zur Vertragsgerechtigkeit im Privatrecht aufzuwerfen. Unter anderem, ob es überhaupt die Aufgabe des Vertragsrechts ist, Gerechtigkeit zwischen den Parteien herzustellen. Falls ja, was die Gründe dafür sind. Ob der Schutz der „schwächeren Partei“ ein Ziel an sich ist, oder ob es ein situationsspezifisches Marktversagen ist, welches einen gesetzlichen Eingriff begründet. Welche neuen Erkenntnisse man der Verhaltensökonomik bezüglich der menschlichen Schwächen entnehmen kann. Warum/wann eine der Parteien wirklich schutzbedürftig ist. Welche verschiedenen Methoden angewandt werden können, um die Dichotomie der Vertragsgerechtigkeit und Vertragsfreiheit zu überbrücken. Alles Fragen, deren Antworten oft auch von rechtspolitischen Entscheidungen abhängen.