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Am 12. Januar 2022 hat der Bundesrat die Vernehmlassung über den Vorentwurf für ein schweizerisches Trustrecht eröffnet. Er kommt damit dem Auftrag des Parlaments nach, welches ihm mit Motion 18.3383 bereits im Jahr 2018 zur Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs aufgefordert hatte.
Konkret schlägt der Bundesrat eine Änderung des Obligationenrechts vor, nämlich die Einführung eines neuen Titels (Zweiundzwanzigbis, im Anschluss an Leibrente und Verpfründung und vor der einfachen Gesellschaft). Der Vorentwurf definiert den Trust als „Zuwidmung von Vermögenswerten durch einen oder mehrere Begründer zu einem Sondervermögen, das von einem oder mehreren Trustees im Interesse eines oder mehrerer Begünstigter gehalten und verwaltet wird“ (Art. 529a Abs. 1 VE-OR). Errichtet wird der Trust durch schriftliche (einseitige) Erklärung oder durch Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) (Art. 529a Abs. 2 VE-OR); er erwirbt seine Rechtswirksamkeit indes erst, nachdem der Trustee seiner Ernennung schriftlich zugestimmt und die Trustvermögenswerte erworben hat (Art. 529b Abs. 5 VE-OR). Art. 529b VE-OR listet die „essentialia“ der Trusterklärung auf: Die Trusturkunde muss die Erklärung des Begründers, Vermögenswerte einem Trust zuzuwidmen, enthalten, eine Bezeichnung der Begünstigten und des Trustees sowie Bestimmungen über die Verwaltung des Trusts, wobei die Bezeichnung des Trustees unterbleiben kann, wenn der Trust mittels Verfügung von Todes wegen errichtet wird (Abs. 2 leg. cit.); diesfalls kann jede interessierte Person beim Gericht die Bezeichnung des Trustees verlangen. Auch der Begründer selbst kann Trustee sein, wobei die Trusturkunde in einem solchen Fall die Vermögenswerte, welche dem Trust zugewidmet werden, genau bezeichnen muss (Abs. 3 leg. cit.).
Gemeinnützige und andere „purpose trusts“ sind im Entwurf nicht vorgesehen; man kann also keine Trusts zu einem bestimmten Zweck errichten. Vielmehr müssen die Begünstigten des Trusts namentlich bestimmt oder jedenfalls im Zeitpunkt der Ausrichtung der Leistung bestimmbar sein (Art. 529c Abs. 1 VE-OR), wobei aber freilich auch gemeinnützige Organisationen als Begünstigte genannt werden können. Der Trustee darf nicht einziger Begünstigter sein. Möglich ist eine Begünstigung mit Rechtsanspruch (i.S.e. „fixed interest trust“) oder eine Ermessensbegünstigung (i.S.e. Anwartschaft des Begünstigten, „discretionary trust“) (Art. 529d Abs. 1 VE-OR), wobei feste Rechtsansprüche an Bedingungen und Fristen geknüpft werden können (Abs. 2 leg. cit.). Anspruchsbegünstigungen sind – sofern die Trusturkunde nichts anderes vorsieht – abtret-, aber nicht vererbbar (wobei aufgrund des Gesetzeswortlauts nicht ganz klar scheint, ob der Begründer eine Vererbbarkeit in der Trust-Urkunde vorsehen kann). Anwartschaften sind im Gegensatz zu festen Ansprüchen weder abtret- noch vererbbar (Abs. 3 leg. cit.). Begünstigte können jederzeit schriftlich auf ihre Rechte oder Anwartschaften aus dem Trust verzichten (Abs. 4 leg. cit.).
Der Begründer (Settlor) kann sich in der Trusturkunde selbst diverse Befugnisse vorbehalten (Art. 529e VE-OR), so etwa das Recht auf Widerruf oder Auflösung des Trusts, das Recht, den Trustee zu ersetzen oder dessen Nachfolger zu bestimmen sowie das Recht, Handlungen des Trustees von seiner Zustimmung abhängig zu machen. Diese „Begründerrechte“ sind vertretungsfeindlich (Abs. 2 leg. cit.). Auch die Ernennung eines Protektors ist möglich (Art. 529e Ziff. 5 VE-OR; zu den Befugnissen des Protektors Art. 529f VE-OR).
Der Trustee ist – wie im angelsächsischen Modell – Eigentümer des Trustvermögens (Art. 529l VE-OR). Art. 529g bezeichnet die Befugnisse und Pflichten des Trustees. Er hat das Trustvermögen gemäss der Trusturkunde und den gesetzlichen Bestimmungen zu verwalten, zu verwenden und darüber zu verfügen (Abs. 1) und kann in eigenem Namen und in seiner Funktion als Trustee in allen Angelegenheiten des Trusts klagen und beklagt werden sowie betreiben und betrieben werden (Abs. 2). Auch hier entspricht der Vorentwurf von der Funktionsweise her einem angelsächsischen Trust. Bemerkenswert erscheint jedoch, dass der Trustee von Gesetzes wegen mit seinem persönlichen Vermögen für die in Erfüllung seiner Pflichten als Trustee eingegangenen Verbindlichkeiten haftet (Abs. 3), was indes durch abweichende Vereinbarung mit dem Gläubiger ausgeschlossen werden kann. Dies gilt, obwohl das Trustvermögen und dessen Schulden – wiederum wie beim angelsächsischen Grundmodell – ansonsten ein vom persönlichen Vermögen des Trustees getrenntes Sondervermögen bilden (Art. 529n Abs. 1 VE-OR) und umgekehrt nur für die Verbindlichkeiten des Trusts sowie für in den Bestimmungen der Trusturkunde bestimmte Verbindlichkeiten haftet (Abs. 2 leg. cit.), nicht aber für persönliche Schulden des Trustees.
Der Trustee hat seine Tätigkeit persönlich auszuüben (Art. 529g Abs. 4 VE-OR); ihn treffen zahlreiche Sorgfalts- und Treuepflichten (Art. 529h VE-OR), darunter unter anderem diverse Informations- und Dokumentationspflichten wie etwa zur Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Personen. Trustees sind grundsätzlich entgeltlich tätig und haben Anspruch auf eine angemessene Vergütung (Art. 529o Abs. 1 Ziff. 3 VE-OR). Erwähnenswert ist, dass der Settlor den Trustee von den grundsätzlich geltenden Pflichten zur Unabhängigkeit vom Begründer, zur Vermeidung von Interessenkonflikten, zur Unparteilichkeit gegenüber mehreren Begünstigten, zur getrennten Aufbewahrung des Trustvermögens vom persönlichen Vermögen und zur Anlage desselben mit Sorgfalt und Vorsicht im Sinne der Begünstigten befreien kann (Art. 529h Abs. 3 VE-OR). Dies unterstreicht den hohen Stellenwert, welcher der Bundesrat der Parteiautonomie beimisst. Den Trustee treffen aber in jedem Fall Rechenschaftspflichten (Art. 529i VE-OR), und den Begünstigten kommt ein Auskunftsrecht in Bezug auf ihre Rechte und Anwartschaften zu (Abs. 2 leg. cit.).
Spannend ist schliesslich das dem angelsächsischen Recht nachempfundene Folgerecht („tracing“), welches die „Nachverfolgung“ unberechtigterweise veräusserten Trustvermögens nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung ermöglicht (Art. 529q Abs. 1 VE-OR). Indes besteht das Rückerstattungsrecht nicht gegenüber dem gutgläubigen, entgeltlichen Erwerber (Abs. 3 leg. cit), was den Anwendungsbereich des Folgerechts erheblich einschränken und in erster Linie auf unentgeltlich veräusserte Vermögenswerte beschränken dürfte.
Die Trusturkunde kann – eine entsprechende Ermächtigung in der Trusturkunde vorausgesetzt – durch den Settlor, den Trustee oder einen Protektor geändert werden (Art. 529t VE-OR). Der Trust wird aufgelöst, wenn eine urkundlich festgelegte Dauer abgelaufen oder Auflösungsvoraussetzungen erfüllt oder aber sämtliche Begünstigten weggefallen sind, spätestens jedoch nach 100 Jahren (Art. 529u Abs. 1 VE-OR; „rule against perpetuities“). Sind die Begünstigten in der Trusturkunde abschliessend bestimmt, können sie den Trust auch vorzeitig auflösen (Abs. 2 leg. cit.).
Dem Gericht kommt nach dem Vorentwurf eine wichtige Funktion zur Klärung der Tragweite von Rechten und Pflichten der Trust-Beteiligten zu (Art. 529v Abs. 1 VE-OR). Es kann ausserdem die Trust-Urkunde anpassen oder die Auflösung des Trusts anordnen, sofern dies aus triftigen sachlichen Gründen geboten ist und keine Rechte von Begünstigten und Dritten verletzt werden (Abs. 2 leg. cit.). Auch in Bezug auf die Rolle des Gerichts orientiert sich der Vorentwurf somit am angelsächsischen Vorbild. Ferner sind eine Schiedsklausel (Art. 529w VE-OR) oder eine Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 39a VE-ZPO) in der Trusturkunde nach dem Vorentwurf zulässig.
Der Vorentwurf enthält darüber hinaus diverse Änderungsvorschläge für ZGB, ZPO, SchKG, IPRG und insbesondere auch die Steuergesetzgebung. Inhaltlich sollen in Bezug auf die Besteuerung die bisherigen, auf das Kreisschreiben Nr. 20 der Eidgenössischen Steuerverwaltung gestützten Prinzipien beibehalten werden. Unwiderrufliche Trusts ohne Begünstigte mit festen Ansprüchen („irrevocable discretionary trusts“) sollen indes neu im Grundsatz analog zur Stiftung besteuert werden.
Das Vernehmlassungsverfahren dauert noch bis zum 30. April 2022.
Dominique Jakob / Michelle Kalt