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Beschreibung |
Der kaiserliche Fiskus, so unbeliebt wie für manch einen die Steuerverwaltung heutzutage, diente dazu, gemeinsam mit der Schatzkasse des römischen Volkes (aerarium) den Machtapparat des Römischen Reiches zu finanzieren. Die Bevölkerung mag zuweilen den Eindruck gehabt haben, dass der gierige Schlund unersättlich war. Gerade in Krisenzeiten, wie sie im 3. Jahrhundert nach Christus vorherrschend waren, lechzte die Bevölkerung nach finanzieller Entlastung und suchte, wenn sie auf rechtlichem Wege nicht zu bekommen war, nach anderen Auswegen. Die Statthalter und der Kaiser waren sich der Bürden der Bevölkerung bewusst und suchten nach Lösungen – zum Schutz der Bevölkerung, um die Legitimität des Römischen Reiches ihr gegenüber nicht zu untergraben. Tausende Papyri aus den Wüsten Ägyptens ermöglichen uns Einblicke in die Alltagswelt der Provinz und legen Strategien offen, die Individuum und Fiskus suchten, um das Optimum aus ihrer Situation zu holen. Es sind zahlreiche Informationen überliefert hinsichtlich administrativer Belange und die Natur der Quellen erlaubt es auch, Kenntnis über Vorgänge zu erlangen, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren. Wir bekommen so ein detailreiches Bild der Realität, das uns ermöglicht, aus dem Elfenbeinturm der Juristen und Kaiser in den Digesten und dem Codex auszubrechen und die Praktikabilität der dort überlieferten Bestimmungen zu überprüfen und mit neuen Einsichten zu ergänzen. Im Mittelpunkt des Seminars stehen Fragen rund um Fiskalhaftung, Vollstreckung und Sicherung. Untersucht wird unter anderem, auf welche Art und Weise eine Vollstreckung vollzogen wurde, welche Privilegien der Fiskus gegenüber Dritten hatte oder auch wie Gläubiger die Macht des Fiskus zu ihrem Vorteil kreativ ausnutzten. Der Fiskus selbst agierte zwischen öffentlichem und Privatrecht, was Auswirkungen auf die rechtlichen Strukturen der Fiskalhaftung hatte. Im Seminar werden ausserdem Konstellationen betrachtet, die eng mit dem Verwaltungsapparat verflochten sind. Es wird der Umgang mit öffentlichen Pächtern untersucht und auch, wie die Haftung bei Personen gestaltet war, die einen Zwangsdienst (Liturgie) oder ein öffentliches Amt ausübten. Welche rechtlichen Besonderheiten gab es, wenn eine Person gegenüber dem Fiskus haftete, welche, wenn die Haftung gegenüber einer Stadt bestand? Zu guter Letzt wird untersucht werden, wie Kaiser und Statthalter mit denjenigen umgingen, die das Recht für sich zu weit ausgedehnt hatten und somit dem Fiskus durch Korruption oder anderem unlauteren Verhalten schadeten.
Themenliste: Thema 1: Zwischen öffentlichem und Privatrecht: Rechtsstellung des kaiserlichen Fiskus Thema 2: Vom Fiskus verfolgt! Vollstreckungsformen öffentlicher Schulden Thema 3: Primus inter pares? Das Vollstreckungsprivileg des Fiskus Thema 4: Amtlicher Rechtspluralismus: Die sog. ‚Protopraxie‘ des Fiskus im Edikt des Tiberius Iulius Alexander Thema 5: Traue niemals Deinen Schuldnern: Sicherung der Fiskalhaftung Thema 6: Fiskalhaftung privater Schuldner: Strafklauseln zugunsten des Fiskus Thema 7: Der verpachtende Fiskus: Haftung öffentlicher Pächter Thema 8: Munera et Honores: Haftung von Liturgen und Beamten Thema 9: Wurmfrass im öffentlichen Archiv! P.Fam.Tebt. und die Suche nach dem Haftenden Thema 10: Hauskinder und Minderjährige: Alter, Gewaltunterwerfung und liturgische Haftung Thema 11: „Ich … wünsche Dir alles Gute, mein Theuerster“: Die Vermögensabtretung der Liturgen Thema 12: Deus ex machina: Statthalter und Kaiser gegen Fiskalmissbrauch
Leistungsnachweis: Das Seminar steht sowohl Bachelor- als auch Masterstudierenden offen. Bachelorarbeiten werden mit 6 ECTS gewürdigt und müssen ca. 25 Seiten (reiner Textteil) umfassen. Masterarbeiten können seit der Studienreform nur noch im Umfang von 12 ECTS verfasst werden, was einer Arbeit von ca. 40 Seiten (reiner Textteil) entspricht.
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Datum
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Vorbesprechung & Informationsveranstaltung: 8. November 2024 um 12:15 Uhr; via Zoom (Link im Merkblatt)
Seminar: 11. und 12. April 2025; Zürich
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Teilnahme und Info |
Zum Vorgang und für weitere Informationen beachten Sie bitte unbedingt die Angaben hier im: Merkblatt (PDF, 1 MB)
Die Anmeldung läuft direkt über das Anmeldetool der RWF. Bei inhaltlichen Fragen können Sie uns gerne via E-Mail erreichen: lst.alonso@ius.uzh.ch
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Thomas Kruse ist Althistoriker und Papyrologe am Österreichischen Archäologischen Institut (Österreichische Akademie der Wissenschaften) in Wien und dort selbst Leiter der Forschungsgruppe «Antike Rechtsgeschichte und Papyrologie». Nach einem Studium der Alten Geschichte, Klassischen Archäologie, Mittleren und Neueren Geschichte und Rechtswissenschaften erlangte er 2002 mit seiner Dissertation «Der Königliche Schreiber und die Gauverwaltung. Untersuchungen zur Verwaltungsgeschichte Ägyptens in der Zeit von Augustus bis Philippus Arabs (30 v. Chr.–245 n. Chr.)» den Doktorgrad. 2003 folgte schliesslich die Habilitation an der Universität Heidelberg.
In seinen Forschungen beschäftigt sich Thomas Kruse mit dem ptolemäischen und römischen Ägypten. Dabei legt er besonderen Fokus auf die Untersuchung der dort vorzufindenden Institutionen sowie auf sozio-historische und rechtliche Aspekte. Thomas Kruse ist ein angesehener Papyrologe und Epigraphiker, dessen Urkundenreferate im «Archiv für Papyrusforschung und verwandte Gebiete» und dessen monumentales Werk zum «Königlichen Schreiber» eine grosse Bereicherung für das Studium der Papyrologie und des ptolemäischen und römischen Ägyptens sind.